Lokalsport
TG Nürtingen trennt sich von ihrem Trainer

Handball Simon Hablizel muss seinen Stuhl bei den abstiegsbedrohten Zweitligafrauen nehmen. Nachfolger wird vier Spieltage vor Saisonende Veit Wager. Von Jens S. Vöhringer

Bereits am Montagabend hatte bei manch einem die ein oder andere Alarmglocke geschrillt. „Vertraue der Veränderung“ war einer der Sätze, die Simon Hablizel in einem kurzen Schriftstück über die sozialen Medien verbreitete. Der Trainer selbst war da schon nicht mehr in Amt und Würden beim Frauenhandball-Zweitligisten TG Nürtingen. Er hatte sich im Training um halb fünf Uhr nachmittags zusammen mit seinem Torwarttrainer Mario Cecavac von seiner Mannschaft verabschiedet, die daraufhin die Arbeit unter dem neuen Gespann Veit Wager und Delia Cleve (siehe Infotext) aufgenommen hatte. Diese beiden sollen das Unmögliche noch möglich machen, den derzeitigen Nürtinger Rückstand von drei Punkten und einem um zwölf Treffer schlechteren Torverhältnis auf die SG Mainz-Bretzenheim in den verbleibenden vier Saisonspielen gutmachen.

Es scheint eine Mammutaufgabe, vor allem nach der TG-Ausbeute von bisher lediglich 5:25 Punkten im Jahr 2023. Doch neue Besen kehren bekanntlich gut – und getreu dieses Mottos haben sich die Verantwortlichen der Turngemeinde nun dazu durchgerungen, eine harte und keineswegs einfache Entscheidung kontra ihres Trainers Simon Hablizel zu fällen. „Es war kein leichter Schritt. Wir taten uns richtig schwer mit der Entscheidung, Simon freizustellen“, verkündet die TG per Pressemitteilung. „Das Verhältnis war ein sehr gutes“, ist dort weiter zu lesen und auch Abteilungsleiter Gunnar Fischer hebt dies noch mehrmals glaubhaft hervor. Zumal „die Arbeit mit ihm super war“, so der Abteilungsleiter. „Wir sind Simon für seine Arbeit und die gemeinsame Zeit sehr dankbar. Er hat viel Herzblut und Engagement an den Tag gelegt“, steht in der Pressemitteilung zudem. Das Vertrauen war auf beiden Seiten da, wodurch die Entscheidung für alle auch eine so schwere war.

Ob diese zu spät kommt, wie viele Fischer und Co. vorwarfen, ist hinterher immer leichter zu beurteilen. Fakt ist aber auch: Die TG war ihren Gegnern teils ebenbürtig, kam Mitte April nach einer dreiwöchigen Pause mit Elan zurück und trotzte dem Titelanwärter Frisch Auf Göppingen ein viel beachtetes 22:22-Remis ab. „Wir leben noch“, hatte Hablizel damals vor den zahlreichen jubelnden Fans gesagt. Nur eine Woche darauf erlitt er mit seiner Truppe im nächsten Derby den wohl vorentscheidenden Knock-out auch für sein Aus.

23:27 verloren die Nürtinger bei Schlusslicht SG Schozach-Bottwartal eine Partie, die durchaus als Schlüsselspiel im Abstiegskampf angesehen werden konnte – und damit entscheidend an Boden. „Es wäre menschlich nicht korrekt gewesen, sich danach von Simon zu trennen“, sagt Abteilungsleiter Fischer und schob nach: „Das zweite Spiel gehört dazu.“ Dieses, die jüngste 22:33-Niederlage am Sonntag gegen die Kurpfalzbären Ketsch, hat letztlich den Ausschlag gegen ein Weitermachen Hablizels gegeben. Zweimal sprach er noch mit Fischer und dem Sportlichen Leiter Philipp Henzler, die auch in regem Kontakt zu den Kapitäninnen und dem Mannschaftsrat standen und ihm am Montag dann ihren Entschluss mitteilten.

Hader mit Chancenverwertung

Für den 35-Jährigen enden damit zweieinhalb Jahre bei der TG, an die er gerne noch weitere Zeit drangehängt hätte. „Enttäuscht“ war er auch am Dienstagmittag noch. „Zwei Jahre hat das ja auch gut funktioniert“, sagte er und fügte an: „Ich hätte das gerne durchgezogen.“ Aber auch Hablizel kennt natürlich die im Sport vorherrschenden Gesetze, die vor allem an Ergebnisse gebunden sind. Und die stimmten zuletzt rund um die Theodor-Eisenlohr-Halle überhaupt nicht mehr. „Ich habe alles gegeben und versucht, den Bock noch umzustoßen, aber es hat nicht funktioniert“, meinte der B-Lizenz-Inhaber, dessen Team am Ende vor allem in der Offensive viel zu harmlos agierte und sich Woche für Woche vorwiegend mit „dem leidigen Thema Chancenverwertung“ herumschlagen musste. Die bekamen Hablizel und Co. überhaupt nicht in den Griff. Hinzu gesellte sich der fehlende Zugriff in der Abwehr im Verbund mit den Torhüterinnen, blickte Hablizel auf die Knackpunkte fürs jüngste schlechte Abschneiden.

Er selbst hege wegen der jetzigen Entwicklung keinerlei Groll. „Ich bin der TG insgesamt für alles dankbar und wünsche ihr alles Gute und dass sie den Klassenerhalt schafft“, sagte er gestern. Zunächst will Hablizel nun die kommende Zeit genießen, wobei für ihn auch da der Handball weiterhin eine gewichtige Rolle spielen wird: Mitte Mai wird er seine A-Lizenz-Prüfung ablegen und zudem natürlich seinen Ex-Verein weiter beobachten. „Ich bin gespannt, was sich Veit ausdenkt“, so Simon Hablizel.

Veit Wager soll das Ruder rumreißen

Der Neue an der Nürtinger Seitenlinie ist in der Region kein Unbekannter: Veit Wager trainierte zuvor die Frauen sowie die Männer des TSV Wolfschlugen und wird bis Saisonende zusammen mit der langjährigen TG-Kapitänin Delia Cleve das Kommando übernehmen. Einen ersten Eindruck konnten sich die TGlerinnen schon verschaffen. Am Montag machte sich der 37-ährige anhand einiger Spielsituationen ein erstes Bild, vor allem bezüglich der Entscheidungen, die sein neues Team dabei traf. „Sehr pragmatisch“ sei er an die Sache herangegangen, beschrieb es Torhüterin Christine Hesel.
Für alle gilt es nun, einen neuen Impuls zu setzen, die Saison mit drei noch ausstehenden Heimspielen so gut und erfolgreich wie möglich zu beenden, um „mit neuem Schwung“ ins Spieljahr 23/24 zu gehen. Und das bestenfalls erneut in der Zweiten Liga. „Wir können immer noch die Klasse halten und ziehen dafür jedes Register“, sagtder Sportliche Leiter Philipp Henzler. jsv