Lokalsport

Tiefe Gräben – auch ohne Bagger

Vereinsstreit In Kirchheims traditionsreichstem Tennisclub brodelt es gewaltig. Die geplante Neugestaltung des Vereinsgeländes wird für den TCK zur Zerreißprobe. Von Bernd Köble

Foto: Carsten Riedl

Das Klima ist vergiftet. Mitglieder sprechen von „Pogromstimmung“ und meinen damit eine außerordentliche Vereinsversammlung, die Mitte Dezember stattgefunden hat. Der Kursstreit bei der geplanten Modernisierung und Erweiterung des Vereinsgeländes an der Arnulfstraße wird für den Tennisclub Kirchheim mit seinen knapp 350 Vereinsmitgliedern zur Zerreißprobe. Langjährige TCK-Getreue liefern sich inzwischen einen erbitterten Streit mit dem Vorstand um die beiden Vorsitzenden Ralf Pörtner und Benjamin Dröge.

Einflussreichster Wortführer ist Ewald Metzger, seit 50 Jahren Mitglied im TCK und als Sportwart und Strippenzieher eine der prägenden Figuren der vergangenen Jahrzehnte. Er war Pörtners Vorgänger im Amt. Beide verband viele Jahre ein enges, freundschaftliches Verhältnis. Damit scheint endgültig Schluss zu sein. Der 79-Jährige wirft dem Vorstand die Verschwendung von Vereinsgeldern vor. Ein Grundstück, dessen Erlös für den Bau der neuen Anlage benötigt wird, sei 650 000 Euro unter Wert angeboten worden. Er und drei Mitstreiter – allesamt langjährige TCK-Mitglieder – haben den Verein inzwischen verlassen, nachdem es am 16. Dezember in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zum Eklat gekommen war.

Worum geht es? Um die Zukunft des Vereins. Der TCK verfügt über das, was im Tennissport inzwischen eher die Ausnahme ist: jede Menge Nachwuchs. Die Anlage mit dem Klubhaus am Mühlbach ist in die Jahre gekommen und zu klein. Es braucht mehr Platz und neue Räume. Deshalb gibt es seit 2012 Überlegungen, ein neues Vereinsheim zu bauen, die Halle mit zwei Spielfeldern zu modernisieren und die Anlage um vier Plätze zu erweitern. Das Ganze auf einem zusammenhängenden Areal nördlich des Mühlbachs, wo die Stadt per Erbpacht Baugrund zur Verfügung stellt. Kostenpunkt des Gesamtprojekts: 2,5 Millionen Euro.

Klar ist: Der Verein will keine Schulden machen, deshalb soll ein Teilstück zur Erschließung und das vier Ar große Grundstück südlich des Kanals, wo jetzt noch das alte Vereinsheim und zwei Plätze untergebracht sind, verkauft werden. Es gibt einen Investor, der auf dem Gelände zwei viergeschossige Wohnblöcke und ein Bürogebäude erstellen will. Am 27. Februar 2018 wurde zwischen Verein und Bauträger ein Vertrag unterzeichnet. Der Kaufpreis: 1,65 Millionen Euro.

Eine Summe, an der sich inzwischen der Streit entzündet hat, obwohl der Kaufvertrag noch gar nicht in Kraft getreten ist. Der Grund: Die Stadt hat den vorhabenbezogenen Bebauungsplan bis zum Ablauf der Vertragsfrist am 31. Dezember 2019 noch nicht genehmigt, weil die Erschließung nicht vollständig geklärt ist. Eine von mehreren Bedingungen im Vertrag, weshalb der nun seit Jahresende hinfällig ist.

Ewald Metzger und seine Mitstreiter wollen nun, dass neu verhandelt und das Grundstück öffentlich ausgeschrieben wird, auch wenn der Verein dazu nicht verpflichtet ist. Ihre Begründung: Der Verkehrswert des Grundstücks liege deutlich über der vertraglich festgeschriebenen Summe. Der Vermessungsingenieur im Ruhestand, der jahrzehntelang ein eigenes Planungsbüro leitete, belegt dies durch drei Gebote örtlicher Bauträger, die er auf eigene Faust eingeholt hat und die einen möglichen Erlös in Höhe von 2,3 Millionen Euro in Aussicht stellen. Metzger fährt schwere Geschütze auf: Durch das aus seiner Sicht defizitäre Grundstücksgeschäft laufe der TCK nicht nur Gefahr, öffentliche Zuschüsse, sondern auch den Status der Gemeinnützigkeit zu verlieren. Mehr noch: Rechne man übliche Kostensteigerungen mit ein, sei der Verein bis zu einem möglichen Baubeginn in drei Jahren pleite. Alles Quatsch, meint Ralf Pörtner. Es sei immer klar gewesen, dass der Verein nur das investiere, was er erwirtschafte. Im Falle einer Finanzierungslücke würden die Planungen entsprechend angepasst.

Ein Vorwurf Metzgers, der ins Mark trifft: Vetternwirtschaft. Partner im Verkaufsgeschäft ist die Projektbau Heiss/Himmelhaus GmbH mit Sitz in Kirchheim, deren Geschäftsführer Herbert ­Heiss ebenfalls Mitglied im TCK ist. Auftragnehmer beim Bau des neuen Klubhauses wie auch beim Bauprojekt des Investors ist das Architekturbüro Luippold, Pörtner und Heller, an dem Ralf Pörtners Ehefrau und Schwager beteiligt sind.

Vorwürfe sind „harter Tobak“

„Der Verdacht, man wirtschafte hier in die eigene Tasche, ist schon harter Tobak,“ empört sich der TCK-Vorsitzende, der inzwischen alle Hebel in Bewegung setzt, um die Debatte, wie er sagt, „zurück auf eine faktenbasierte Ebene zu bringen“. Seinen Schwager Sascha Luippold habe Metzger selbst als Verhandlungspartner ins Spiel gebracht, weil der über einen guten Draht ins Rathaus verfüge. Zudem gebe es zum Architektenauftrag einen einstimmigen Vorstandsbeschluss. „Für uns war diese Lösung nicht nur naheliegend, sondern auch kostengünstig, weil ein beträchtlicher Aufwand bei der Konzeptentwicklung gar nicht in Rechnung gestellt worden ist“, meint Pörtners Vorstandskollege Benjamin Dröge und betont: „Wir hätten für jeden anderen Planer mehr bezahlt.“

Wenn Ralf Pörtner Gespräche führt zum Thema, dann hat er eines inzwischen immer dabei: stapelweise Unterlagen – Bauskizzen, Vertragsabschriften, Sitzungsprotokolle, detaillierte Aufzeichnungen von Gesprächen mit allen Projektbeteiligten und nicht zuletzt ein Rechtsgutachten, das er und der Vorstand im Oktober in Auftrag gegeben haben. Wichtigste Aussage darin: Der Kaufvertrag vom Februar 2018 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der festgelegte Preis und die Orientierung an Bodenrichtwerten sei zum damaligen Zeitpunkt angemessen gewesen, weil es sich in der frühen Planungsphase bei Vertragsabschluss noch nicht um Bauland gehandelt habe.

Zu diesem Schluss kommt die Frankfurter Anwaltskanzlei Winheller in ihrer Expertise. Mit anderen Worten: Erst durch die Planungsleistung des Investors habe das Grundstück jenen Wert erlangt, den die Kritiker um Ewald Metzger ins Feld führten, sagt Pörtner. Dem Vorwurf, das Grundstück sei ohne weitere Bieter unter der Hand zum Verkauf angeboten worden, widerspricht Pörtner ebenfalls. Drei Baufirmen hätten damals Interesse bekundet, seien aber wieder abgesprungen, nachdem klar geworden war, dass sich die Planung über mehrere Jahre hinziehen würde. Man sei schließlich froh gewesen, mit Heiss/Himmelhaus einen Investor gefunden zu haben, der bereit war, das Planungsrisiko ohne klare Aussage der Stadt mitzutragen.

Um dieses Planungsrisiko geht es auch jetzt: Wie der zum 31. Dezember ausgelaufene Kaufvertrag juristisch zu bewerten ist, darüber streiten sich inzwischen die Anwälte beider Seiten. Der Inves­tor ist offenbar bereit, nachzubessern, macht jedoch Vorleistungen in Höhe von rund 400 000 Euro geltend. Der Verein will neu verhandeln, um einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Das Planungsrisiko bleibt. Zwar soll der vorhabenbezogene Bebauungsplan für das Klubgelände im Frühjahr zur Abstimmung in den Gemeinderat kommen, wie Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker bestätigt. Doch gebaut werden kann diesseits und jenseits des Mühlbachs erst dann, wenn die Erschließung geklärt ist. Die wiederum ist untrennbar verknüpft mit dem im Norden angrenzenden Gewerbegebiet „In der Au“, wo sich das Verfahren unter anderem wegen Forderungen des Landratsamtes beim Hochwasserschutz länger hinzieht als geplant. Ein Baustart vor Ende 2023, so Matt-Heidecker, sei kaum realistisch.

Jetzt haben zunächst die TCK-Mitglieder das Wort. Am 21. Februar sollen sie darüber abstimmen, wie es weitergeht. Mit dem alten Investor oder möglicherweise einem neuen, der bereit wäre, die Vorplanungen des seitherigen Partners gegen eine Ablöse zu übernehmen. „Würden wir, wie gefordert, völlig neu ausschreiben, begänne der ganze Prozess von vorne“, sagt Ralf Pörtner, der durchblicken lässt, dass seine Belastbarkeit und die des Vorstands endlich ist. „Wir haben alle Job und Familie und arbeiten ehrenamtlich“, sagt er. „Wenn wir hier hinschmeißen, ist der Verein nicht pleite, sondern tot.“

 

90 Jahre Tennissport in Kirchheim

Der TC Kirchheim wurde im August 1930 als „Tennisverein Kirchheim“ aus der Taufe gehoben. Seinen heutigen Namen erhielt der TCK erst bei der Neugründung im März 1944. Nach Kriegsende dauerte es bis zum Jahr 1949, ehe der Spielbetrieb auf den zwei Plätzen wieder aufgenommen wurde. Ein Jahr später verzeichnete der Verein rund 100 Mitglieder und wuchs konstant. 1975, zu Beginn des Tennisbooms in Deutschland, überschritt der TCK zum ersten Mal die 500-Mitglieder-Marke. Heute zählt er 342 Mitglieder, darunter 134 Kinder und Jugendliche. Die acht Plätze und das 1964 erbaute Klubhaus sind Eigentum des Vereins.

Für Schlagzeilen sorgte der Verein Anfang der 80er-Jahre, als die deutschen Tennis-Asse Boris Becker und Steffi Graf kurz vor ihrem Durchbruch an die Weltspitze mehrfach beim Adventsturnier in Kirchheim aufkreuzten. Den Auftritt der kommenden Weltstars hatte der damalige Sportvorstand Ewald Metzger eingefädelt. bk

 

Kommentar: Zurück zur Sache!

Es ist wie so oft: Zwei Seiten kämpfen für dasselbe Ziel, die Argumente laufen aus der Spur, entwickeln eine Eigendynamik, und irgendwann ist die Debatte nicht mehr einzufangen. So geschehen beim Versuch des TC Kirchheim, dem Verein, der allen erklärtermaßen am Herzen liegt, ein belastbares Fundament für die Zukunft zu bauen. Sieben Jahre sind seit den ersten konkreten Überlegungen zur Neugestaltung der vereinseigenen Anlage vergangen. Inzwischen sind Familien zerstritten, liegen jahrzehntelange Freundschaften in Scherben, verharren Mitglieder orientierungslos zwischen zwei Fronten. Dabei könnte man im TCK kaum glücklicher sein: Der Verein ist schuldenfrei, sportlich erfolgreich und anders als viele Vertreter dieser Sportart ohne Nachwuchssorgen.

Der Disput um die Vermarktung von Immobilien, um juris­tische Vertragsdetails und kommunale Baurechtsfragen zeigt aber auch: Die Komplexität solcher Themen ist mit dem Ehrenamt heute kaum mehr in Einklang zu bringen. Mitgliedern im Sinne eines demokratischen Prozesses vermittelbar ist sie schon gar nicht. Einflussreiche Experten in seinen Reihen zu haben, die sich dem Wohl der Gemeinschaft verantworten, ist schon deshalb ein Segen für jeden Verein. Verliert man dabei das Miteinander aus dem Blick, kann es allerdings schnell zum Fluch werden. Dem TCK möchte man vor seiner Mitgliederversammlung im Februar jedenfalls als Kompass auf den Weg geben: Kommt zurück zur Sache!