Lokalsport

Tinnon​!

Der Ritter letzter Akt

Nicht länger Mittelmaß – Das könnte zum neuen Slogan der Kirchheim Knights in der zweiten Basketball-Bundesliga werden. Die Verpflichtung von Top-Spielmacher Richie Williams war vor Wochen ein erstes ­Sig­nal. Besser geht nicht? Geht doch: Jetzt kommt mit Dennis Tinnon der Überflieger der ­vorvergangenen Saison.

Kirchheims Neuer: Dennis Tinnon, hier im Vechtaer Dress im Spiels gegen Hamburg. Foto: Christian Becker
Kirchheims Neuer: Dennis Tinnon, hier im Vechtaer Dress im Spiels gegen Hamburg. Foto: Christian Becker

Kirchheim. Die Knights machen Nägel mit Köpfen. Wer vor Wochen noch an einen Deal geglaubt hatte, der allein der Freundschaft des Trainers Michael Mai mit seinem früheren Schützling Richie Williams zuzuschreiben war, der muss spätestens jetzt nach neuen Erklärungen suchen. Nach Williams zieht es mit Dennis Tinnon den nächsten Amerikaner unter die Teck, der einige Superlative im Gepäck hat. Allerdings muss man bis zur Saison 2013/14 zurückblättern, als der 26-jährige Power Forward aus Wisconsin noch in Jena unter Vertrag stand: Eine Saison, der Tinnon seinen Stempel aufdrückte. Als bester Rebounder der Liga mit 10,7 zweiten Bällen und 15 Punkten im Schnitt, effektivster Spieler mit 21 Double-Doubles in 35 Begegnungen. Das sind spektakuläre Werte. Tinnon und sein kongenialer Spielpartner Garrett Timothy Sim mischten in diesem Jahr die gesamte Liga auf. Beide waren danach nicht mehr zu halten. Sim wechselte nach Crailsheim in die BBL, Tinnon zum Erstliga-Absteiger nach Würzburg, der sich zu Beginn der Saison, den direkten Wiederaufstieg zwangsverordnet hatte.

Jetzt also Kirchheim. Und warum? Die Frage lässt sich nur so beantworten: Nach Williams ist Tinnon der zweite Neuzugang, der ein pechschwarzes Jahr hinter sich hat. Im Oktober die Diagnose Hirnhautentzündung, danach mehrere Wochen Pause und anhaltende gesundheitliche Probleme. Ganze fünf Begegnungen bestritt Tinnon im Trikot der Franken mit mäßigem Erfolg. Würzburg regierte rasch, holte mit Samme Givens bärenstarken Ersatz, der einschlug wie eine Bombe. Für Tinnon war der Rückweg verbaut. Im Dezember wechselte der 26-Jährige nach Vechta. Ausgerechnet zu dem Klub, der nur wenig später Coach Stephen Arigbabu wegen Erfolglosigkeit den Stuhl vor die Tür setzte und der seit Wochen mehr mit sich selbst als mit den Gegnern zu kämpfen hatte. Eine schlechte Entscheidung, wie sich im Nachhinein zeigte und wie seine schwachen Statistiken auch belegen. Kirchheim wird nun also für beide neuen Spitzenkräfte – Tinnon wie Williams – eine Saison lang zur Bewerberbühne für höhere Aufgaben, in der BBL oder im Ausland.

Vorteil Kirchheim: Offenbar sehen beide ihre Führungsrolle als Investition in die Zukunft. „Ausnahmslos jeder im Team hat in diesem Jahr etwas zu beweisen“, sagt Knights-Geschäftsführer Christoph Schmidt. „Für uns war es wichtig, dass die Mannschaft charakterlich zusammenpasst.“ Die Flucht nach vorne ist für Schmidt der einzige Weg mit Blick auf die Konkurrenz. „Wir können gar nicht anders als mitziehen“, betont er. „Wenn ich sehe, wen andere Teams verpflichten, wird einem angst und bange.“

Bleibt die Frage nach den Finanzen, die in Kirchheim in den vergangenen Jahren vergleichsweise wenig Wachstum verzeichneten. Der Gesamtetat, der für die Mannschaft zur Verfügung steht, werde unverändert bleiben, stellt Schmidt klar. Das gleiche Geld, auf weniger Schultern verteilt. Mehr Qualität, weniger Breite. Das bedeutet erneut, ein Wagnis einzugehen, wie die Vorsaison lehrt. Verletzungspech auf Schlüsselpositionen brachte die Mannschaft nach gutem Start im Winter völlig aus dem Tritt.

Dafür passt Tinnon als letzter Baustein perfekt ins Gesamtgefüge. „Er ist ein gefährlicher Schütze, der seine Verteidiger aus der Zone zwingt und dadurch die nötigen Freiräume unterm Korb schafft“, sagt sein künftiger Trainer Michael Mai. Tinnon gilt ebenso wie Jordan Wild als äußerst flexibler Spieler, der auf keine starre Rolle festgelegt ist. Mit ihm soll Wild zur Unterstützung von Tim Koch häufiger auf den Flügel ausweichen können. Des Trainers Lehre von der maximalen Wandlungsfähigkeit gibt den Rahmen vor. Das Personal, das in füllen soll, scheint zu passen.

Foto: Christian Becker

Kirchheim Knights: Richie Williams, Steffen Harvey, Besnik Bekteshi, Tim Burnette, Tim Koch, Jordan Wild, Dennis Tinnon, Johannes Joos, Andreas Kronhardt