Lokalsport

Unger Interview

Seit Oktober 2010 ist er verantwortlicher Sprinttrainer im Deutschen Leichtathletikverband – vor seiner ersten Hallen-DM in diesem Amt spricht Ronald Stein (47) über Favoriten, die anstehenden Europameisterschaft und seine Erwartungen an Tobias Unger.

Herr Stein, wer wird deutscher Meister über 60 Meter und warum?
Tobias Unger ist mein Favorit, er hat auch das Potenzial für den ersten Platz. Das hat er bei seinem super Rennen in Karlsruhe gezeigt, als er in 6,64 Sekunden  namhafte internationale Gegner wie den Italiener Di Gregorie in Schach gehalten hat. Ich denke, dass er bei den „Deutschen“ mit seiner Erfahrung das Rennen machen wird.
Wie macht sich Erfahrung auf einer so kurzen Strecke wie den 60 Metern bemerkbar?
Die kommt eigentlich vor dem Start zum Tragen, da brauchst du richtig viel Coolness, um dich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Tobi kann das, obwohl er in der Favoritenrolle ist. Das hat er schließlich schon oft genug bewiesen.
Unger ist über 60 Meter als mit Abstand ältester Sprinter gleichzeitig auch bislang der Schnellste in dieser Hallensaison – spricht das für ihn oder gegen schlagkräftigen Nachwuchs?
Die Situation ist ja schon seit Jahren zu beobachten, wir haben das auch ausgewertet. Das Problem ist, dass sich jüngere Sprinter wie Julian Reus, Stefan Schwab oder Christian Blum nicht weiterentwickelt haben, nachdem sie gute Leistungen abgeliefert hatten. Dass Athleten wie Tobi oder auch Alexander Kosenkow über so lange Zeiträume konstant so gut sind, spricht natürlich für ihre individuelle Qualität. Auch deswegen sind wir bis zur Olympiade 2012 gut aufgestellt, aber nach der Ära Unger und Kosenkow muss gewährleistet werden, dass gute Leute nahtlos nachkommen.
Wie schätzen Sie die Leistungsentwicklung in Deutschland über 60 Meter in der bisherigen Hallensaison ein?
Insgesamt bin ich noch nicht zufrieden. Ich hätte mir gewünscht, dass vor den deutschen Meisterschaften mindestens drei Sprinter die EM-Norm von 6,66 Sekunden knacken. Aber ich gehe mal davon aus, dass sich da am Wochenende noch etwas tun wird.
Stichwort EM-Norm: Unger ist momentan der Einzige, der selbige bereits unterboten hat. Was trauen Sie ihm noch zu?
Ich wäre zufrieden, wenn er die Zeit von Karlsruhe bestätigen könnte oder sogar noch etwas schneller wird. Wenn man sich die bisherigen Leistungen der europäischen Konkurrenz anschaut, hätte man bei der EM gute Chancen, mit einer 6,63 oder 6,62 ins Finale zu kommen.
Der DLV kann maximal drei Sprinter für die EM nominieren. Welchen Einfluss hat dabei der Ausgang der deutschen Meisterschaft?
Den größten, sofern die Schnellsten die Norm auch unterbieten. Davon gehe ich allerdings genauso aus, wie von einem schnellen Tobi Unger. Ich glaube kaum, dass er mit 6,75 Sekunden Fünfter wird.