Lokalsport
Tokio liegt manchmal auch unter der Teck

Ausdauer René und Michael Slavik aus Kirchheim sind auch während des Lockdowns echte Dauer(b)renner.

Kirchheim. Es ist dunkel. Eiskalt. Kein Mensch zu sehen. Oder doch? Zwei hüpfende Lichtpunkte am Horizont. Könnten das die Slavik-Brüder sein? Die Wahrscheinlichkeit ist jedenfalls ziemlich groß, denn René und Michael scheuen weder Uhrzeit noch Wetter noch Distanz. So spulten die Zwillinge aus Kirchheim an Weihnachten gleich mehrere Langdistanz-Läufe ab, meisterten beim Bürrleweg-Ultra rund um den Weilheimer Egelsberg auf 46 Kilometern 700 Höhenmeter. Der Silvesterlauf auf die Teck wenige Tage später fiel da vergleichsweise niedlich aus.

Für die beiden 51-Jährigen gehört das Laufen zum Leben wie die Luft zum Atmen. „Außerdem lieben wir das Gemeinschaftsgefühl“, schwärmen die beiden von Dutzenden Wettkämpfen. Doch auf genau die müssen die beiden Frohnaturen nun beinahe seit einem Jahr verzichten.

Ihre gute Laune lassen sich René und Michael Slavik davon aber nicht verderben. Deshalb holten sie sich Rom und Tokio eben unter die Teck, und der Paris-Marathon wurde von Kirchheim nach Esslingen und zurück abgespult. Immerhin haben sich die beiden gegenseitig. „Es gibt einfach nichts Schöneres als vier, fünf Stunden zusammen durch die Gegend zu laufen und sich zu unterhalten“, erzählt Michael.

Schon seit mehr als 15 Jahren sind die eineiigen Zwillinge dem Lauffieber verfallen. René Slavik hat inzwischen 82 Marathons auf der Uhr, sein Bruder Michael kommt auf 51. „Ich hatte schon vier Knie-OPs und konnte auch mal zwei Jahre nichts machen“, erklärt er die Differenz. „Ist doch gerecht aufgeteilt bei uns. Mein Bruder hat alles am Knie und ich hab gar nichts“, flachst René.

Für lustige Verrücktheiten sind die beiden zweifachen Väter jederzeit zu haben. René lief beim ersten Lockdown zehn Kilometer in seiner Wohnung. „Das war schon zäh, 650 Mal im Kreis zu joggen. Ich war fast zwei Stunden unterwegs“, berichtet er lachend. Auch auf dem Rad lässt er es hin und wieder krachen. Im Juli strampelte er den Neckartalradweg ab und fuhr in knapp 18 Stunden 400 Kilometer.

Bruder Michael ist derweil dem Triathlon verfallen, hat schon drei Ironmans in Roth absolviert. Vergangenes Jahr wollten sie eigentlich gemeinsam starten und die 3,8 Kilometer im Wasser, die 180 auf dem Rad und den anschließenden Marathon miteinander durchstehen. „Tja, das ging ja leider nicht“, zucken die beiden mit den Schultern. Auch auf Mallorca, wo die Slaviks sonst jedes Jahr im Herbst den Marathon laufen, mussten sie 2020 verzichten. „Das ist eigentlich unser Haus-Wettkampf. Total schön und immer lustig. Wir haben da schon Mickie Krause und Jürgen Drews auf der Strecke getroffen.“

Nun hoffen „Die Unglaublichen“, wie sie sich seit vielen Jahren bei Wettkämpfen nennen, dass 2021 wieder mehr möglich ist. Ein gemeinsamer Start beim Ironman in Roth zum Beispiel, und nach ihrer eindrücklichen Erfahrung beim 100-Kilometer-Lauf in Biel wäre auch der Transalpinrun noch ein Ziel. „Das ist ein Lauf für Zweier-Teams, bei dem man sich auf seinen Partner verlassen können muss“, erklärt Michael - für die Brüder das ideale Rennen, denn in einem sind sich die beiden einig: Aufgeben ist nie eine Option. „Man darf gar nicht erst daran denken. Wir sind beim Megamarsch in Stuttgart über 100 Kilometer zu neunt gestartet. Ins Ziel gekommen sind aber nur wir zwei. Das ist einfach Kopfsache“, erklären die Brüder, die zuletzt den nächsten Marathon in Angriff nahmen. Dieses Mal ging es virtuell nach Dubai. Sandra Langguth