Lokalsport

Und plötzlich war der VfL drittklassig

Fußball-Nostalgie Heute auf den Tag vor 20 Jahren gelang dem VfL Kirchheim als Sensationsmeister der Oberliga der Aufstieg in die damals noch drittklassige Regionalliga. Von Reimund Elbe

Meisterlich: Rüdiger Kauf, Semih Narin, Andreas Kleinhansl, Stefan Bauer, Thomas Endler, Thomas Kärcher, Volker Geywitz und Rainer Mutschler (v.l.n.r.) feiern den Oberligatitel.

Inmitten 1 800 jubelnder Fans reckt VfL-Kapitän Claus Maier die silberne Meisterschale nach dem geglückten Oberliga-Titelgewinn gen Himmel - was sich am 24. Mai 1997 im Stadion an der Jesinger Allee abspielte, war zweifellos der bislang größte Triumph Kirchheimer Kicker aller Zeiten. Die Teckstädter hatten unter anderem Topteams wie den FC Pforzheim, die Amateure des VfB Stuttgart oder Teams wie den heutigen Zweitligisten SV Sandhausen abgehängt.

„Diese Meisterschaft gehört zu den schönsten Momenten, die ich überhaupt im Sport erlebt habe“, konstatiert Andreas Kleinhansl, Trainer des Sensationsaufsteigers und heute Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens in Esslingen. Der einstige Profi der Stuttgarter Kickers wirkte beim VfL mit Co-Trainer Jörg Raichle als kongeniales Duo, stieg bereits Ende der Neunzigerjahre aus dem Trainergeschäft aus. An die emotionalen Augenblicke erinnert sich der 53-Jährige freilich immer noch genau. „Dieser Aufstieg bewies, was mit Teamgeist und mannschaftlicher Geschlossenheit möglich ist.“

Emotional ergriffen war an jenem 24. Mai vor 20 Jahren auch Kirchheims Stadtoberhaupt. „Mit dem Regionalliga-Aufstieg wird ein neues Kapitel in der Kirchheimer Fußballgeschichte aufgeschlagen. Es ist das beste Marketing, was sich die Stadt vorstellen kann“, diktierte Oberbürgermeister Peter Jakob den Pressevertretern Sekunden nach dem Schlusspfiff freudig in die Blöcke. Dabei hatte nur zwölf Monate zuvor Fußball-Abteilungsleiter Gerhard Trautmann („nach vier Jahren Überlebenskampf müssen wir endlich raus aus dem Tabellenkeller“) noch als einsamer Rufer in der Wüste gegolten.

Zu den Jungspunden im 97er-Meisterteam gehörte Semih Narin, der heute in Reudern eine Autohandlung betreibt. „Manchmal werde ich noch von Kunden auf diesen Erfolg angesprochen“, sagt der einstige Abwehrakteur, „dies sind natürlich schöne Momente, die verdeutlichen, dass wir schon etwas Besonderes erreicht hatten.“

Zur Gruppe jener der VfL-Jugendabteilung entwachsenen Kicker gehörten zudem Thomas Edelmann, Thorsten Kaiser, Torwart Rainer Mutschler, Carmelo Scaffidi und Timo Ascherl. Auch Leichtgewicht Ali Yücel war einer jener Nachwuchskräfte, die über Nacht zu Drittliga-Spielern wurden. Yücel trainierte zuletzt den Kreisligisten TFC Köngen, wo er immer noch fleißig Tore schoss.

Auch Thomas Endler (47), beim entscheidenden Spiel vor 20 Jahren gegen den FC Bammental per 1:0-Schütze Wegbereiter zum 4:1-Sieg, ist als Einkaufsleiter einer Kirchheimer Firma der Region verbunden geblieben. Der begnadete Techniker und Mittelfeldrenner gehört jenem harten Kern an, die heute meist über soziale Netzwerke die alten Kontakte pflegen. Thomas Kärcher, einst wegen seiner Kompromisslosigkeit bei Gegenspielern gefürchtet, gehörte beim Teckbotenpokal-Turnier 2016 zum leitenden Organisationsteam des TSV Holzmaden.

Wobei der Kader jener VfL-Meistermannschaft sowieso einen ungewöhnlich starken Lokalkolorit aufwies, überwiegend mit Spielern aus der Teckregion bestückt war. Akteure wie die Offensivkräfte Harald Huber und Marc Schurr galten mit Heimat im Kreis Göppingen schon als weit hergereist.

Früher Verteidiger, heute Arzt

Auch andere der einstigen Aufstiegshelden sind heute gestandene Größen im Berufsleben, wie beispielsweise Stammkeeper Udo Schairer (IT-Branche) oder Stefan Bauer - der Außenverteidiger arbeitet nach Stationen in Frankreich und Australien heute als Oberarzt in einer Lörracher Klinik und gilt unter anderem als Experte für die Behandlung von Kreuzbandrissen. Angreifer Nihat Güler ist Bauleiter in Göppingen, trainierte vor Jahren unter anderem den FC Heiningen. Sein Sturmpendant Uwe Igler ist in der Finanzbranche, Offensivspieler Volker Geywitz in leitender Funktion in der Schweiz tätig. Einzig Sturmtank Ingo Tallafuß ist Rasenflächen wirklich ganz eng verbunden geblieben - als Chef einer Gartenbaufirma in Köngen.

Nur Kauf wurde Profi

Nicht alle blieben 1997 nach dem Aufstieg in Kirchheim an Bord. So wechselte der beinharte Angreiferschreck Mario Estasi, der heute Trainer des Landesligisten TV Echterdingen ist, zum Konkurrenten TSF Ditzingen, Mittelfeldakteur Andreas Ruml hörte gar ganz auf. Der Sprung ins Fußball-Profigeschäft gelang nur einem der damaligen VfL-Helden: Rüdiger Kauf. Der gebürtige Esslinger, mittlerweile 42 Jahre alt und wieder nach Hochdorf zurückgekehrt, brachte es auf 184 Bundesligaspiele, 108 Zweitligapartien sowie 21 Einsätze im DFB-Pokal.

„Es ist eine lange Zeit seit diesem Aufstiegstag vergangen“, sagt Ex-Kapitän Claus Maier. Wenn es eines traurigen Beweises für diesen Satz bedarf, dann war es der Tod des allseits beliebten Spielleiters Armin Hinger im April 2016. Bei der Trauerfeier in Dettingen waren die Trainer und nahezu alle Spieler des Meisterkaders von 1997 vor Ort - ein starkes Zeichen der Verbundenheit nach all den Jahren.

Grenzenloser Jubel im Stadion an der Jesinger Allee: Am 24. Mai 1997 feierten Kirchheims Fußballfans den Aufstieg in die Regionalliga. Fotos: Teckboten-Archiv

Erinnerungsstücke im Lagerraum

Die Meister-Schale von 1997 ist in Sicherheit. Verpackt liegt das Erinnerungsstück nur unweit des Kirchheimer Stadions in einem dunklen Lagerraum - zusammen mit weiteren Andenken aus glorreichen VfL-Fußballtagen. Nach einem Hochwasser von spontanen Helfern wie Ex-Abteilungsgeschäftsführer Kurt Antel („wir standen knietief im Wasser“) aus dem einstigen Pressekonferenzraum im Stadion-Untergeschoss gerettet, war nach Abriss und anschließendem Umbau zum Vereinssportzentrum später kein Platz mehr für das gute Stück. Auch, weil es für die VfL-Fußballer aktuell kein klassisches Vereinsheim gibt, fehlen entsprechende Räumlichkeiten zur stilsicheren Präsentation solcher Trophäen wie der Meisterschale von ‘97.rei