Lokalsport
Versöhnt, gelassen, bereit

Mountainbike Nach mehr als zwei Jahrzehnten in der Weltelite steht Manuel Fumic vor seiner endgültig letzten Saison. Ob sie im Juli in Tokio die Krönung erfährt, entscheiden andere. Von Bernd Köble

Die Gangway wird schon gar nicht mehr angedockt ans Abflug-Gate. Die Passagiere drängen stattdessen quer übers Rollfeld zu ihrer Maschine. Es ist die letzte, die Manuel Fumic kurz vor dem Lockdown vor Weihnachten in Richtung Deutschland erwischt. Südafrika, viele Jahre lang Winterquartier der Mountainbiker vom Team Cannondale ist plötzlich gebrandmarkte Zone. Einer der weltweiten Corona-Hotspots, seit dort eine neue Variante des Virus grassiert.

Für Manuel Fumic endet 2020 wie das neue Jahr beginnt. Abreise aus dem Trainingslager am Kap, Quarantäne, Kilometer schrubben zu Hause in Lindorf auf der Rolle, dazwischen immer wieder testen. Gut, dass auf der Alb eine der seltenen Winterperioden Einzug hält. Langlaufloipe statt Singletrail - das verschafft Ablenkung und hilft, die Gedanken neu zu ordnen. Seit Dienstag ist er wieder weg, diesmal in Richtung Spanien. In Girona, am nordöstlichsten Zipfel der iberischen Halbinsel bereitet sich Cannondale auf die neue Saison vor, die am 28. Februar mit dem HC-Rennen in Banyoles im Hinterland der Costa Brava beginnt.

Manches ist neu in der Mannschaft, wie die beiden Toptalente Simon Andreassen aus Dänemark oder der frühere U23-Weltmeister Alan Hatherly aus Südafrika. Der Franzose Maxime Marotte, zweimal Gesamtdritter im Weltcup, gab im Herbst seinen Wechsel zum Downhill-Team Santa Cruz bekannt. Die Konstante bei Cannondale, das ist inzwischen ein scheinbar unzertrennliches Duo auf und abseits der Strecke: der 31-jährige Brasilianer Henrique Avancini und natürlich Manuel Fumic, der in gut zwei Monaten seinen 39. Geburtstag feiert und in seine 21. Saison als Profi geht.

Es ist die Schlussrunde. Definitiv. Nachdem er sich im Spätsommer entschieden hat, ein Jahr dranzuhängen, um sich den großen Traum von seinen fünften Olympischen Spielen doch noch zu erfüllen, steht sein Entschluss diesmal fest. Cannondale hat seinem langjährigen Zugpferd die Chance auf ein versöhnliches Karriereende eröffnet und den Vertrag im Sommer verlängert. Ob der Traum in Erfüllung gehen wird, steht weiterhin in den Sternen. Als Termin für das olympische Crosscountry-Rennen zwei Autostunden südlich von Tokio steht der 27. Juli im Kalender. Doch eine erneute Absage ist noch immer nicht vom Tisch.

Fumic stellt sich dem mit der Gelassenheit eines Athleten, der in seinem Sport alle Höhen und Tiefen erlebt hat. „Ich bin bereit“, sagt er. Sollte ihm die Pandemie erneut einen Strich durch die Rechnung machen, wäre das, wie er sagt, keine Riesenenttäuschung. „Jeder muss im Moment zurückstehen. Wenn man sieht, was auf der Welt geschieht, dann gibt es wichtigere Dinge.“ Wichtig ist zunächst dennoch, mit einem guten Gefühl in die neue Saison zu starten. Die Regeln, denen der Körper gehorcht, haben sich inzwischen verschoben. Die lange Zwangspause nach seinem kapitalen Sturz im Frühsommer, das coronabedingt reduzierte Programm danach, das alles wird plötzlich zum Segen. Regenerieren, zur Ruhe kommen, heißt gut durch den Winter kommen. Ohne Krankheit und Erkältung, trotz des ständigen Wechselbads, das das Training in gegensätzlichen Klimazonen mit sich bringt.

Olympia ist das große Ziel, aber es ist nicht das einzige. „Es wird ganz sicher Wettkämpfe geben in diesem Jahr“, sagt Manuel Fumic. Die Weltcupserie mit dem Auftakt im Mai in Albstadt, die WM Ende August im nord- italienischen Val di Sole oder das Cape Epic, bei dem er im Oktober letztmals im Zweier-Team mit Henrique Avancini um den Gesamtsieg fahren will. Er wolle mitnehmen, was geht, sein Bestes geben und die Saison genießen, meint Fumic. „Ich habe jetzt die nötige Gelassenheit dafür.“

Hat er auch Pläne für danach? Eine Rolle hinter den Kulissen bei Cannondale wäre eine Option. Es gibt aber auch Überlegungen außerhalb der Welt auf zwei Rädern. Klar ist nur: Ein Leben ohne Sport ist für ihn kaum vorstellbar. „Da gibt es vieles, was ich mir vorstellen könnte“, sagt Manuel Fumic. „Im Moment ist leider nicht die Zeit für solche Gespräche.“ Daheim wartet zudem eine Familie mit drei Sprösslingen. Die werden wohl auch ein Wort mitreden.

Foto: Armin Küstenbrück