Lokalsport

Von der Intensivstation auf den Tennisplatz

Er ist die Nummer drei der ers­ten TCK-Herrenmannschaft, und das im dritten Jahr: Der Bad Boller Severin Welter (29) zählt im Team von Trainer Jörn Kaiser zu den absoluten Leistungsträgern. In der Vorsaison hatte der Mann, der Assistenzarzt in der Göppinger Klinik am Eichert ist, auf dem Platz ein Negativerlebnis – derzeit kämpft er mit seinem Team um den Wiederaufstieg in die Oberliga.

Severin Welter, TC Kirchheim, Tennis
Severin Welter, TC Kirchheim, Tennis

Kirchheim. Es war Sonntag, der 25. Juli 2010 – der Tag, an dem die TCK-Herren aufgrund einer 4:5-Niederlage im Heimspiel gegen den TC Heilbronn am Trappensee aus der Oberliga auf tragische Weise abgestiegen sind. Am damaligen Kirchheimer Niedergang hatte vor allem ein Spieler zu knabbern: Severin Welter, seinerzeit die Nummer sechs im Team. „Dumm gelaufen“, resümiert er lapidar den schwarzen Tag, der in der größten sportlichen Enttäuschung seiner Tennis-Laufbahn gipfelte. Schuld daran, dass er mit Partner Thomas Haller nach 1:0-Satzführung das entscheidende Abschlussdoppel verlor (6:2, 2:6, 6:7) und der TCK somit abstieg, war auch eine mentale Schwäche, die ihm plötzlich anheimfiel. „Nach einem Vorfall konnte ich mich einfach nicht mehr hundertprozentig auf das Tennisspiel konzentrieren“, erinnert sich Welter.

Es war ein etwa achtjähriger Junge, der beim Spielen auf dem TCK-Gelände von einem Schwarm Bienen attackiert wurde und dem Welter, gerade in der Satzpause, als Erster zu Hilfe eilte. „Es war furchtbar. Der Junge hatte die Haare voller Bienen und schrie wie am Spieß“, sagte Welter. Die Situation war bedrohlich – so bedrohlich, dass der Schüler nach einer schnellen Abduschaktion in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht werden musste. Welter („zum Glück hatte er keine Stiche am Hals, wie sich herausstellte“), eilte auf den Platz zurück und versuchte nach der 45-minütigen Unterbrechung, konzentriert weiterzuspielen – vergebens. „Irgendwie ging mir das Bild mit dem weinenden Jungen während der Partie nicht mehr aus dem Kopf. Ich war immer wieder abgelenkt“, sagte er. Das Match-Ende ist bekannt.

Seit etwa 25 Jahren spielt der Bad Boller Tennis – aber ein ähnliches Horrorszenario auf dem Platz hat er noch nicht erlebt. Erste Hilfe hat er beim Ausüben seines Sports bis dahin auch noch nie leisten müssen. „Auf solchen Horror wie jenen mit dem Jungen und den Bienen kann ich getrost verzichten“, sagt der Assistenzarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie in Göppingen. In der Intensivstation der Klinik am Eichert verarztet Welter mitunter Schwerverletzte nach Schlägereien, Sauforgien oder Motorradunfällen. Trotzdem war der Sommer-Vorfall 2010 ein Härtefall für ihn.

Ohnehin sei er in manchen Situationen viel zu zart besaitet, gibt er zu: „Wenn ein Gegenspieler provoziert oder absichtlich das Spiel verzögert, lasse ich mich noch zu leicht beeinflussen. Innerlich bebt‘s dann in mir.“ Die fehlende Nervenstärke ist einer der wenigen Mängel, die dem TCK-Spieler seit 2008 bei Spielen anhaften. Welter, der mit dem TC Esslingen in der (früher drittklassigen) Württembergliga spielte, zeichnen ein großes Schlagrepertoire und der harte Aufschlag aus. Im internen TCK-Ranking ist er inzwischen von der Nummer sechs zur Nummer drei aufgestiegen. Nur Toni Holzinger, der nebenbei noch Spieler des französischen Zweitligisten Clermont-Ferrand ist, und der Slowene Zoran Golubovic sind besser platziert.

Welter muss beruflich viel inves­tieren – bis zu 65 Wochenstunden verschlingt sein Job. Doch das Pendeln zwischen der Göppinger Klinik und dem Kirchheimer Court verlief bisher reibungslos. „Zum TCK-Training unter der Woche reicht es mir immer, wenn ich nachmittags um vier Uhr Feierabend habe“, sagt er. Doch manchmal arbeitet er rund um die Uhr – wenn er an Wochenenden Dienstbereitschaft hat. Doch den TCK-Spielplan tangiert es nicht, denn Welter pflegt seine Wochenenddienste mit den Tennismatches abzustimmen. „Bisher habe ich in den drei Jahren diesbezüglich noch kein Spiel versäumt“, sagt er.

Welter, Sohn eines Chefarztes, der selber spielt, gilt als Mr. Zuverlässig im Team. Bald allerdings könnte es heißen: galt. Denn seine Bereitschaft, das hohe Trainingsniveau zu halten, wird in naher Zukunft nach eigener Aussage etwas abnehmen: Freundin Ulrike (33), Lehrerin an der Berufsschule Geislingen, ist im neunten Monat schwanger. „Meine Prioritäten sind klar. Demnächst wird die Famile vor dem Sport stehen“, sagt Welter.

Bevor er sein Freizeitverhalten endgültig umstellt, will der TCK-Aufsteiger der Saison noch den maximalen Erfolg: den Oberliga-Wiederaufstieg mit seiner Mannschaft. Dazu bedarf es in den Restspielen beim SV Böblingen II (3. Juli), gegen TC Tachenberg (10. Juli) und beim TV Schwäbisch Gmünd (24. Juli) dreier Siege. Dazwischen (17. Juli) wird auf dem Heimgelände an der Arnulfstraße Spitzenreiter SV Leingarten zum Gipfeltreffen erwartet. Läuft alles nach Plan, muss der TCK dann nur 6:3 gewinnen, um neuer Tabellenführer zu werden, falls nicht, braucht es womöglich einen 8:1- oder gar 9:0-Sieg. „So oder so wird es sehr schwer werden“, sagt Welter.