Lokalsport

Von „selbst schuld“ bis „Bauernopfer“

Özil-Rücktritt Fußballer aus der Region mit türkischen Wurzeln haben ihren eigenen Blick auf die neu losgetretene Integrationsdebatte. Von Paul Buck

Symbolbild

Der Preisträger des Bambis ist: Mesut Özil. Das war 2010. Vier Monate nach Platz drei bei der Fußball-WM in Südafrika erhielt Özil den Medienpreis in der Kategorie „Integration“. Nach seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft scheint das vergessen zu sein. Nicht bei türkischstämmigen Fußballern aus der Umgebung, die ihre eigenen Ansichten zum Rücktritt und der neu entfachten Integrationsdebatte vertreten.

Dass das Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan ein Fehler war, darin stimmen alle Befragten überein. „Özil ist selbst schuld an der Kritik. Fußball darf nichts mit Politik zu tun haben. Er hätte das Treffen ablehnen sollen, so wie es Emre Can getan hat,“ meint etwa der ehemalige Dettinger Kicker Okan Kanarya, der jetzt für die Spvgg Schlaitdorf spielt. Ganz so weit gehen will Alparslan Özkan vom TSV Weilheim nicht: Dass man der Einladung folge, sei verständlich, meint er. „Er hätte das Bild aber nicht posten sollen.“ Auch Yusuf Cetinkaya, neuerdings Trainer des TSV Jesingen II kritisiert Özil: „Das Foto war das I-Tüpfelchen“, meint Cetinkaya. „Ich hätte ihn aber auch wegen seiner Leistung nicht mitgenommen. Dass er bei dem ganzen Gegenwind bei der WM nicht gut spielt, war zu erwarten.“

Wie mit der Situation generell umgegangen wurde, empfindet Okan Aslan vom TSV Wernau als unglücklich: „Özil hätte früher klar Position beziehen sollen, schon vor der WM“, meint er. „Die DFB-Oberen hätten ihn aber trotzdem mehr in Schutz nehmen und klarstellen sollen, dass ein Schlussstrich gezogen werden muss. Das hat eigentlich nur der Trainer gemacht.“ Özkan pflichtet ihm bei: „Das ist dann auch schlechtes Management von Grindel und Bierhoff“, während Cetinkaya ergänzt: „Schade, dass Özil als Sündenbock herhalten musste, schließlich gewinnt man als Team und verliert als Team.“

Darüber, ob Özil sportlich für die Mannschaft unersetzlich ist, streiten sich die Befragten: Während Cetinkaya Özil vorwirft, „in den letzten vier Jahren kein gutes Spiel gemacht“ zu haben, und auch Mustafa Baykara vom TSV Köngen ihn zwar als „guten, aber ersetzbaren Spieler“ bezeichnet, bedauert Aslan den Rücktritt: „Das ist aus sportlicher Sicht schade.“ Kanarya geht sogar ein Stück weiter: „Er hat der Nationalelf viel gegeben, er war ein Held. Am Ball hat er unglaubliche Fähigkeiten. Bei Deutschland kommen nicht so viele talentierte junge Spieler wie beispielsweise bei Frankreich oder Belgien nach. Da ist einer wie Özil schwer zu ersetzen.“ Mustafa Baykara glaubt die Lösung zu kennen: „Ich könnte mir Mario Götze als seinen Nachfolger vorstellen.“

Beschimpfungen auf dem Platz

Steckt Rassismus hinter der Debatte? Mustafa Baykara und Yusuf Cetinkaya spielen bereits seit 20 beziehungsweise 40 Jahren in Deutschland Fußball und wurden nach eigener Aussage noch nie mit Rassismus konfrontiert. Auch Alparslan Özkan hat hier viele Freunde. „Integration ist immer subjektiv“, meint er. „Ich bekomme schon mit, dass Leute benachteiligt werden.“ Dass ein Gegenspieler ihn als „Scheiß-Türken“ bezeichnet, hat er selbst schon erlebt. „Das trifft mich aber nicht, ich versuche, das auszublenden.“

Özkan weiß: Nicht jeder denkt so. Die Gesellschaft ist gespalten. „Das hat man auch bei Özil gesehen“, betont er. „Die einen liken Kommentare, die für ihn sprechen, andere unterstützen Hass-Botschaften.“ Auch Mustafa Baykara vom TSV Köngen kann dem zustimmen: „Einige Fans sind schon rassistisch. Deswegen kann ich Özils Rücktritt nachvollziehen.“