Lokalsport

​Weder noch – Basketballer boykottieren

US-Wahl Vier von fünf Amerikanern im Team der Kirchheim Knights haben sich dem Urnengang in der Heimat verweigert – aus Politikverdrossenheit. Von Bernd Köble

Professioneller Eifer oder einfach nur Frustbewältigung? Ein genaues Urteil darüber fiel auf den ersten Blick gestern nicht leicht. Im Gerätetraining der Knights wurde schon früh geschwitzt und geschuftet. Am Morgen nach der historischen Wahl in den USA gab es auch unter den Amerikanern in der Kirchheimer Mannschaft nur ein Thema. Nicht Trump, nicht Clinton – Gegner Hamburg, der am Samstag hier aufkreuzen wird, darum ging es.

Als ferner Beobachter, der schon in der Nacht mit aktuellen Meldungen aus allen Kanälen überschüttet wurde, wundert man sich und fragt nach. Der Wahlkampf hat Spuren hinterlassen. Warum mit Politik beschäftigen, wenn schon die beiden Kandidaten für das höchste Staatsamt es nicht tun? Vier von fünf Amerikanern, einschließlich des Trainers, haben die Wahl boykottiert. Jonathon Williams, seit drei Jahren als Spieler in Deutschland und erst im September aus Hamburg nach Kirchheim gekommen, hat als Einziger gewählt. Wen, daraus macht er kein Geheimnis: Hillary Clinton. Nicht, weil er ein glühender Verehrer und von ihrer Politik überzeugt wäre. „Ich komme aus Kalifornien“, sagt er. „Das ist traditionell Stammland der Demokraten.“

Die Wahl zwischen Pest und Cholera ist nun mal keine. Das wird im Gespräch allenthalben deutlich. „Für einen Christen sollte es um soziale Gerechtigkeit und Hilfe für Arme gehen“, sagt Knights-Coach Michael Mai. „Das verkörpert keiner von beiden.“ Der Trainer geht noch einen Schritt weiter: „Würde man rechtstaatliche Regeln anwenden, die für jeden anderen Bürger in unserem Land gelten, dann säßen beide Kandidaten schon seit Jahren im Gefängnis.“ Ähnlich sieht es Preston Medlin. Der Aufwand, den die Briefwahl bedeute, sei keiner der Bewerber wert. „Ich habe mir darüber keinen Kopf gemacht. Nach all dem, was ich im Wahlkampf gesehen habe, sage ich, mich interessiert das Ganze einfach nicht.“

Dass sich die Welt mit dem gestrigen Wahltag nun radikal verändern wird, glaubt keiner der fünf. „Die Veränderungen werden sicher gravierender sein, als nach der letzten Wahl, weil die Republikaner auch im Kongress in der Mehrheit sind und den Supreme Court beherrschen“, meint Seth Hinrichs. „Dass deswegen die weltpolitische Ordnung völlig aus den Fugen gerät, glaube ich aber eher nicht.“

Carrington Love, ein bekennender Obama-Anhänger, drückt seinen Frust auf andere Weise aus: „Ich lebe hier in Deutschland, ich will hier einen guten Job erledigen und ich bezahle meine Steuern hier. Alles andere ist mir momentan völlig egal.“