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Weiter des Wahnsinns fette Beute

Basketball Die Knights erleben in Trier die dritte Folge im Serien-Drama. Im März wird sich entscheiden: Play-offs oder Abstiegskampf? Von Bernd Köble

Verwarf den Freiwurf, der den Sieg bedeutet hätte: Jonathon Williams, sonst einer der Zuverlässigsten im Knights-Trikot, zeigte in Trier ungewohnte Schwächen. Foto: Wolfgang Zink

Man stelle sich folgende Szene vor: Jonathon Williams tritt am Sonntag in der Trier Arena 1,3 Sekunden vor Schluss an die Freiwurflinie und verwandelt beide Versuche zur knappen Kirchheimer Führung – der ersten überhaupt in diesem Spiel. Die Sensation scheint geglückt, nachdem die Kirchheimer im dritten Viertel noch mit mehr als 20 Zählern in Rückstand gelegen hatten. Doch Triers Parker Van Dyke schnappt sich den Ball, schleudert ihn mit der Schlusssirene aus der eigenen Hälfte in Richtung Korb und trifft per Wahnsinns-Dreier zum endgültigen Sieg der Gladiators. Warum solche Gedanken-Spielchen, nachdem jeder weiß, dass Williams den Matchball vergab und die Knights nach Verlängerung entkräftet als Verlierer vom Feld gingen? Vielleicht, weil auch dieses fiktive Finale furioso in solchen Wochen keinen mehr vom Sitz gehauen hätte. Schließlich hatte man das alles zuvor schon mal gesehen. Die vierte Kirchheimer Niederlage in Folge ist eine, die besonders wehtut. Auch wenn nach den Dramen gegen Leverkusen und Rostock niemand mehr damit gerechnet hatte, dass es noch schlimmer kommen könnte.

Gewiss: Einen Kraftakt gegen Trier hatte niemand erwartet, nachdem die halbe Mannschaft die Wochen zuvor an Covid erkrankt war. Zu langsam, zu fahrig, zu unkonzentriert, mit insgesamt 22 Ballverlusten, bei denen zur Hälfte der Gegner die Passbahn schon im Ansatz er­ahn­te – der Auftritt der Knights in der ers­ten Hälfte des Spiels schien das Bild vom angezählten Boxer zu bestätigen. In Momenten, in denen Williams den Ball völlig unbedrängt ins Aus dribbelte oder Karlo Miksic nach einem Zweikampf reglos liegenblieb und danach minutenlang in der Kabine verschwand, obwohl in der Szene nichts auf eine Verletzung hindeutete. Ohne Kamber und Koch, für die ein Einsatz noch zu früh kam, standen Perovic nur drei deutsche Stammkräfte zur Verfügung, von denen alleine Besnik Bekteshi die Erwartungen erfüllte.

Dass die Knights trotzdem zurückkamen und den Sieg bereits in Händen hielten, war vor allem und wieder einmal Rohndell Goodwin zu verdanken, der das Heft in der zweiten Spielhälfte in die Hand nahm. Und wieder einmal war er es, der in der entscheidenden Spielszene indirekt zur tragischen Figur wurde. Sein missglücktes Dribbling, bei dem er mit dem Fuß wegknickte, war der Grund, warum nicht er in der Schlusssekunde an die Freiwurflinie trat, sondern Jonathon Williams, der dort zuvor bereits viermal in Folge gescheitert war. „Keiner macht den beiden einen Vorwurf“, sagt Headcoach Igor Perovic. „John ist ein echter Leader und Rohndell in den Schlusssekunden immer erste Wahl.“ Tatsache ist: Ohne Goodwin wäre keines der vergangenen drei Spiele am Ende noch mal eng geworden. Ein Kernproblem freilich bleibt, und das hat nur wenig mit Corona zu tun: „In engen Spielen entscheidet der höhere Basketball-IQ“, sagt Perovic. „Wir treffen im entscheidenden Moment zu oft die falschen Entscheidungen.“

Dass die Knights zum dritten Mal in Folge den Sieg gegen eine Spitzenmannschaft vor Augen haben, obwohl wichtige Stützen fehlen oder geschwächt ins Spiel gehen, wäre alleine schon bemerkenswert. „Davon können wir uns leider nichts kaufen“, meint Sportchef Chris ­Schmidt, dem die eine oder andere krachende Niederlage lieber gewesen wäre, wenn wenigstens einmal etwas Zählbares herausgesprungen wäre. So gehorchen die Knights in der Tabelle weiter der Schwerkraft, während Teams dahinter allmählich ins Rollen kommen. Die Artland Dragons holten am Wochenende ihren zweiten Sieg in Folge, bei dem der Ex-Kirchheimer Akim Jonah sein erstes Double-Double verbuchte. Die Panthers aus Schwenningen, die am 9. März die Knights empfangen, sind seit drei Spielen ungeschlagen. Als Trostpflaster blieb den Rittern an diesem Wochenende nicht einmal der direkte Vergleich mit den Trieren. Angesichts gleicher Punktedifferenz in beiden Spielen würde am Ende der Saison das bessere Gesamt-Korbverhältnis über den Tabellenplatz entscheiden. Jetzt warten nach einem spielfreien Wochenende mit Jena und Paderborn nicht nur die nächsten dicken Brocken, sondern auch drei Spiele innerhalb von sechs Tagen. „Ich bin überzeugt, dass wir aus dieser Schleife rauskommen werden“, meint Igor Perovic. Was er sagen will: Irgendwann hat jeder Wahnsinn mal ein Ende.