Lokalsport
Wenn die Hepsisauer Steige zur Maßeinheit wird

Abenteuer Luca Kinkelin und Leo Ebner sind in acht Tagen mit dem Rennrad von Dettingen nach Monaco gefahren. 18 Alpenpässe und 21 000 Höhenmeter später drehten sie eine Runde auf dem Formel-1-Kurs. Von Sandra Langguth

Lange ausschlafen, viel Fernsehen gucken, mit Freunden abhängen. All das könnte man in den Ferien tun. Oder aber in acht Tagen mit dem Rennrad 1200 Kilometer fahren und auf 18 Pässen 21 000 Höhenmeter bewältigen. So wie Luca Kinkelin und Leo Ebner. Die zwei Kumpels sind mit ihren Bikes vom Guckenrain aus nach Monaco geradelt. „Ich bin ein riesiger Formel-1-Fan und wollte dort mal auf der Rennstrecke durch die Stadt fah­ren“, erzählt Luca Kinkelin.

Als der 18-jährige Schüler überlegte, wen er da wohl mitnehmen könnte, fiel ihm nur Leo ein. Und der war sofort Feuer und Flamme. Zeit hatte der 24-jährige Physiotherapeut dank eines Arbeitgeberwechsels zufällig auch noch. Und so stellten sie innerhalb von nur fünf Tagen die Route auf die Beine und besorgten das Equipment. „Wir wollten spontan sein und wild campen. Es sollte ja auch ein Abenteuer werden.“ Luca Kinkelin packte ein Ein-Mann-Zelt in seine Fahrradtasche, Leo Ebner nur einen Schlafsack. Noch zwei Powerbanks fürs Handy, ein Gaskocher, ein Topf und jeweils ein Satz Kleidung zum Wechseln – das war’s.  

An einem Mittwochmorgen um 8 Uhr schwang sich das Duo erstmals in den Sattel und nahm die Herausforderung in Angriff. „Die ersten zwei Tage ging es bis zum Genfer See. Von dort haben wir dann die Route des Grand Alpes genommen“, erklärt Luca Kinkelin. Zu diesem Zeitpunkt hatte er gut 400 Kilometer und knapp 4000 Höhenmeter in den Beinen. Angesichts dessen, was da noch folgen sollte, war das nur das Einrollen.

Was auf die beiden jungen Männer jeden Tag zukam, wussten sie gar nicht so genau. „Die tatsächliche Strecke war immer eine Überraschung.“ Damit umzugehen, gehörte ebenso zur Herausforderung wie die tägliche Verpflegung. Denn in entlegenen französischen Bergdörfern sind Supermärkte mitunter Mangelware. „Am Anfang hatten wir 36 Grad, das war schon heftig.“ Ein Liter klirrend kalter Eistee kann da schon zur echten Offenbarung werden. Genauso wie eine Packung Nudeln mit Pesto, zubereitet auf dem mitgebrachten Gaskocher.

Die Nächte verbrachten die beiden einfach da, wo sie gegen Abend aufschlugen. „In der ersten Nacht haben wir zwischen zwei Maisfeldern geschlafen. Und in der zweiten durften wir bei einem netten Ehepaar am Genfer See im Garten übernachten“, erzählt Luca Kinkelin. „Am nächsten Morgen haben wir ein richtiges Frühstück mit selbst gebackenem Brot bekommen“, erinnert sich Leo Ebner gerne zurück.

Mit dem Einstieg in die französischen Alpen zog auch die Stille ein in das tägliche Kurbeln. Höhenmeter für Höhenmeter arbeiteten sich die beiden rund acht Stunden täglich in Richtung Meer. Und so wie es auf den Straßen durch die Alpen hoch und runter ging, so erlebten auch die jungen Männer eine innere Achterbahnfahrt. Vor allem Luca Kinkelin, der sonst eigentlich nicht so regelmäßig mit dem Rennrad unterwegs ist. „Eigentlich hab ich jeden Tag aufs Neue gedacht: Was war das nur für ne blöde Idee“, erzählt der 18-Jährige lachend. Gerade bei längeren Anstiegen, wenn jeder
 

Eigentlich hab ich jeden Tag aufs Neue gedacht: Was war das für ne blöde Idee.
Luca Kinkelin
Der Schüler über die Momente auf der Reise, in denen die Bergetappen einfach nicht enden wollten.
 

sein eigenes Tempo fuhr, für sich allein vor sich hin litt, konnte das Gedankenkarussell schon mal Fahrt aufnehmen. „Ich hatte schon ein bisschen Sorge, was passiert, wenn ich mental Schwierigkeiten habe und Luca auch“, berichtet Leo Ebner. Gut, dass allerspätestens mit dem Erreichen der angestrebten Höhe das gerade durchlaufene innere Tief wieder verschwunden war. „Wir hatten zum Teil so geniale Ausblicke, die haben für alles entschädigt“, ist Luca Kinkelin noch immer total begeistert von den landschaftlichen Eindrücken.

„Mein absolutes Highlight war der Col de l’Iséran. Mit 2770 Metern ist das der höchste Alpenpass, eine wunderschöne Straße. Als wir da unterwegs waren, hat es gerade gedämmert, und es war so gut wie kein Auto unterwegs“, gerät der 18-Jährige ins Schwärmen. Für Leo Ebner wird der Col de la Cayolle unvergessen bleiben. „Die Natur hat mich total beeindruckt. Rechts und links ging es ewig weit hoch, das war wie in einem Canyon, eine mega Atmosphäre.“ Die schwindelerregend vielen Höhenmeter teilten sich die beiden quasi in Hepsisauer Steigen ein. „Wir haben öfters gesagt: Jetzt nur noch einmal Hepsisau hoch.“

Als sie dann zum ersten Mal das Meer erblickten, ging ihnen fast schon das Herz auf. Jetzt war Monaco zum Greifen nahe. Und natürlich das eigentliche Ziel, die Formel-1-Strecke. „Es war total spannend, da zu fahren“, berichtet Luca Kinkelin. Vor dem Casino mussten die beiden allerdings schieben. „Witzigerweise ist da Radfahren verboten.“ Anschließend fuhren sie weiter nach Nizza, kauften sich dort erst mal Badehosen und stürzten sich an der Riviera in die Fluten. Dass sie die letzte Nacht statt in einer Air­bnb-Unterkunft auf einer Bank am Strand verbringen mussten, war jetzt auch egal.

Die Erfahrung dieser aufregenden Woche kann den beiden keiner mehr nehmen. „Wir machen sowas auf jeden Fall noch mal“, sind sich beide sicher.
 

Von Pass zu Pass
durch die französischen Alpen

Die Strecke führte vom Guckenrain nach Monaco und hatte auf 1200 Kilometern 21 000 Höhenmeter zu bieten. Am Ende hatten Luca Kinkelin und Leo Ebner 18 Pässe überquert. Im Schnitt saßen sie acht Stunden pro Tag im Sattel. Mit 3800 und 4100 Metern waren der vierte und sechste Tag der Tour höhenmäßig Spitzenreiter. Durch die französischen Alpen ging es auf der bekannten Route des Grandes Alpes, die vor allem bei Rennradfahrern beliebt ist. Hier finden sich Pässe wie der Col des Saisies, der Col Du Galibier, der Teil der Tour de France ist, oder der Col de l’Iseran, der mit seinen 2270 Metern der höchste überfahrbare Gebirgspass der Alpen ist. Ihre Strecke planten die beiden mit Komoot.
Die Ausrüstung hatten die beiden auf ein Minimum reduziert. „Wichtig war vor allem eine Radhose zum Wechseln, damit die Hygiene gewährleistet war“, erklärt Leo Ebner. Ihr spärliches Gepäck transportierten sie in sogenannten Bike-Packing-Taschen, die am Lenker und hinter dem Sattel angebracht werden. Flickzeug und Ersatzschläuche benötigten sie nicht, denn auf der gesamten Tour hatten die beiden Dettinger keine einzige Panne. „Ich habe mich erst am Ende getraut, das Thema überhaupt anzusprechen, weil ich Angst hatte, dass wir dann erst recht einen Platten haben“, berichtet der Physiotherapeut. sl