Lokalsport

Wenn Riesen wachsen

Nach Ulm und Weißenfels steht Jonathan Maier in Kirchheim vor der Reifeprüfung

Drei Jahre nach seinem ­Abschied ist Jonathan Maier ­zurück in Kirchheim. Reifer, ­robuster und lockerer denn je.

Kirchheim. Zumindest in der Kirchheimer Fußgängerzone macht ihm die Lufthoheit keiner streitig. Mit seinen 2,10 Meter Körpergröße ist Jonathan Maier ein Blickfang im Getümmel. Der sprichwörtliche Fels in der Brandung oder ins Basketball-Vokabular übersetzt: Der Mann, der unterm Korb bei den Knights ab Samstag abräumen soll. Ein Job, der ihm heute leichter fallen dürfte als bei seinem Debüt in Kirchheim vor fünf Jahren. Aus dem schlaksigen Internatsschüler der Ludwigsburger Basketballakademie ist ein robuster Center geworden. Ein Anker unterm Korb, 120 Kilo schwer und endlich auch mit dem nötigen Selbstvertrauen, das ihm als Bankdrücker unter dem damaligen Coach Frenkie Ignjatovic gefehlt hatte.

Seitdem ist viel passiert. Ausgestattet mit einer Doppellizenz konnte er in Ulm Erfahrung in der ersten Liga sammeln, die erstmals über das hinausging, was er als 18-Jähriger bei den wenigen Kurzeinsätzen in Ludwigsburg erlebt hatte. Durchschnittlich fünf Minuten Einsatzzeit in einem Dutzend Spiele im ersten Jahr, dazu erste Gehversuche auf internationalem Parkett im Eurocup, wo Maier neun Mal das Trikot des diesjährigen Play-off-Finalisten trug. „Eine wichtige Zeit und eine schöne Zeit“, sagt der 23-Jährige über seine Entwicklungsphase unter Cheftrainer Thorsten Leibenath. Auch seine Aufgabe bei den Weißenhorn Youngstars, dem Farmteam der Ulmer, wo Maier im zweiten Jahr als Teamkapitän in der Pro B Verantwortung übernahm, hat ihn reifen lassen.

„Wenn du jahrelang nicht spielst“, sagt er, „wenn du Tag für Tag zur Arbeit gehst, und da immer einer ist, der sagt, es reicht nicht, dann nagt das irgendwann am Selbstvertrauen.“ Heute hat er davon so viel, dass auch ein Jahr wie das vergangene keine grundlegenden Zweifel mehr in ihm schürt. Beim MBC in Weißenfels, mit dem er im Frühjahr den Abstieg erlebte, hat er sich nie wohlgefühlt. Eine nicht nur sportlich schwierige Saison, trotz 26 Bundesligaeinsätzen. Ein Jahr, das den Blick auf seine sportliche Karriere verändert hat. Erste Liga auf Teufel komm raus, das ist für ihn nicht mehr alles was zählt. Er macht sich Gedanken über die Zeit nach dem Sport, will im kommenden Jahr ein Studium beginnen. Kein Fernstudium. „Wenn ich es mache, dann richtig.“ Er braucht das Gefühl, am Ende sein Bestes gegeben zu haben. Auf Basketball übertragen heißt das vor allem: Er will spielen. Solange und soviel wie möglich. Deshalb habe er sich bewusst für die Pro A entschieden. Deshalb Kirchheim.

Vorteil Maier: Hier dürfte er kaum auf etwas stoßen, das ihm fremd sein könnte. Hier hat er alles erlebt, den größten Erfolg und den tiefsten Fall. Die Vizemeisterschaft 2012 und den Abstieg im Folgejahr, der mit viel Glück dann doch keiner war. Diesmal ist er Teil eines Kollektivs, von dem auch er nicht weiß, wo es steht. Von dem er jedoch überzeugt ist, dass es jenen Teamgeist verkörpert, der den Unterschied ausmachen kann.

Er fühlt sich wohl in Kirchheim, vom ersten Moment an, und er wird, anders als vor fünf Jahren, hier wohnen und leben. Zwischen Fachwerkbauten und Vorgärten. In einer Kleinstadtatmosphäre, die schon für manchen Weltenbummler, die hier sein Geld mit Basketball verdient hat, zur Belastung wurde. Nicht für ihn. „Ich bin ein Kind vom Dorf“, sagt Jonathan Maier. Aufgewachsen auf dem Bauernhof der Großeltern im Nordschwarzwald, wo die Familie seit Generationen verankert ist und wohin er bis heute gerne zurückkehrt. Sprachlich hat er seine Wurzeln gänzlich abgestreift, ohne sie zu verleugnen. „Wenn ich will“, meint er, „dann kann ich richtig dreckig Schwäbisch.“

Auf dem Spielfeld wird er das nicht brauchen. Was er braucht, ist mehr Ausdauer und Schnelligkeit, von dem er im vergangenen Jahr deutlich eingebüßt hat. Der Preis für Kilos, die Respekt verschaffen. Was er am dringendsten benötigt, davon hat er nach einem frus­trierenden Jahr in Thüringen jedoch reichlich: „Ich freue mich wirklich,“ sagt er mit einem strahlenden Lächeln. „Ich hatte noch nie mehr Bock als diesmal.“