Lokalsport

Wieder mal ein Aufbruch zu neuen Ufern

Der frühere VfL-Fußballer und Nationalspieler Thomas Brdaric arbeitet als Sportdirektor in Usbekistan

Vor wenigen Tagen ist er 37 geworden: Thomas Brdaric, ehemaliger Fußball-Nationalspieler mit sportlicher Vorvergangenheit beim VfL Kirchheim, ist zu neuen Ufern aufgebrochen. Der gebürtige Nürtinger hat beim usbekischen FC Bunyodkor einen Einjahresvertrag als Sportdirektor unterschrieben.

Fußball Fussball Thomas Brdaric
Fußball Fussball Thomas Brdaric

Solingen. Ein Nachmittag im rheinischen Langenfeld, einem Stadtteil von Solingen, zwischen Düsseldorf und Leverkusen an der Autobahn 3. In der Rathaus-Galerie herrscht hektisches Treiben. Väter laufen mit ihren aufgeregten Kindern durch die Geschäfte, um einzukaufen. Ex-Fußball-Nationalspieler Thomas Brdaric aus Nürtingen hat seinen jüngsten Sohn Lance (8) mitgebracht und trinkt entspannt seinen Tee. Passanten, Freunde und Bekannte huschen vorbei und grüßen ihn. Brdaric grüßt und winkt freundlich zurück.

Wer ihn kennt, schätzt seine natürliche offene Art. Hier lebt der gebürtige Nürtinger seit 17 Jahren zusammen mit seiner vom Niederrhein stammenden Frau und Lance älterem Bruder Tim (11). Der ehemalige Bundesliga-Profi behielt sein Privatleben stets für sich und genießt die wenige Zeit mit seiner Familie und seiner Mutter, die noch in Neuffen wohnt. Ein „turbulentes Jahr“, sagt er, liegt hinter ihm, „aber ich fühle mich gut gerüstet für 2012.“ In seinem bisherigen Leben kämpfte er oftmals gegen Windmühlen an. Bereuen ist nicht sein Ding – das gilt vor allem für seine Erfahrungen in seiner Nach-Aktiven-Zeit, die für Brdaric 2009 als Sportdirektor bei Union Solingen begann.

Sein neues Ziel ist das fast 4 800 Kilometer entfernte Taschkent. Die Hauptstadt von Usbekistan beheimatet den FC Bunyodkor, was auf Deutsch so viel wie „Erschaffer“ oder „der Schöpfer“ bedeutet. Der Verein, der erst 2005 gegründet wurde, dominierte in den vergangenen vier Jahren die nationale Liga. Vier Meisterschaften und zwei Pokalsiege gelangen dem Club, der für Aufsehen sorgte, als 2008 für viel Geld der Brasilianer Rivaldo verpflichtet wurde. Beim asiatischen Champions-League-Teilnehmer fungiert Brdaric seit Jahresbeginn als Sportdirektor und setzt gezielt auf Nachwuchsförderung. Diese Aufgaben wurden in der Vergangenheit unter Brasiliens Weltmeister-Trainer Felipe Scolari (2009 – 2010) völlig vernachlässigt. Mit dem neuen Stadion und Clubgelände im Rücken, sieht Brdaric hohes Potenzial in einem Land, das fußballerisch als aufstrebende Nation in Asien zählt und gute Chancen hat, sich erstmals für eine WM zu qualifizieren. Für die Jugendarbeit und Spielerausbildung will der A-Lizenz-Trainer dort Spezialisten einsetzen und strebt sogar eine Kooperation mit dem Weltpokal-Sieger FC Barcelona an. Persönlich begann das neue Jahr für ihn mit intensivem Kennenlernen der Mannschaft in Trainingslagern in Dubai und der Türkei. Den Spielbetrieb nimmt die usbekische Liga im März auf.

Brdaric, EM-Teilnehmer von 2004, sieht sich zukünftig nicht nur als Sportmanager, sondern auch als Trainer, und beginnt im April in Kiew seine Fußballlehrer-Ausbildung. Im Frühjahr 2011 wurde ihm die Zulassung für den Lehrgang an der Sporthochschule in Köln noch „auf unschöne Art verweigert“, wie er enttäuscht sagt. Dabei hatte Brdaric erste Erfahrungen im Trainerjob mitgebracht, angefangen im Sommer 2010 mit einer einjährigen Hospitation bei der U 14 von Bayer Leverkusen, die ihm sein ehemaliger Trainer Jürgen Gelsdorf vermittelt hatte. Die Beschäftigung beim für seine gute Nachwuchsarbeit bekannten Bundesligisten endete für den Technik-Trainer Brdaric mit dem Gewinn der deutschen U 17-Meisterschaft. „Danach wollte der Verein nicht mehr mit Ex-Profis zusammenarbeiten, und für einen Monat übernahm ich die U 19 des KFC Uerdingen“, mit der er 2011 deutscher Meister wurde. Seine nächste Jugendtrainer-Station hieß SV Bergisch Gladbach. Dort absolvierte er mit dem U 17-Bundesligisten die komplette Vorbereitung auf die neue Saison – bis im August dann überraschend das Telefon für die Herausforderung Usbekistan klingelte.

Sein aktueller Vertrag beim FC Bunjodkor Taschkent ist zunächst auf ein Jahr festgelegt. Danach strebt er („ich bin ein Fußball-Bekloppter“) eine Rückkehr nach Europa an, wobei die englische Premier League sein Traumziel ist. Von der hatte er schon zu seiner aktiven Zeit geschwärmt. Ein Meniskus- und Knorpelschaden beendete seine Fußballerkarriere im Juli 2008. Als Spieler blieb der am 23. Januar 1975 in Nürtingen geborene und in Neuffen aufgewachsene Mann mit serbokroatischen Wurzeln nie lange bei einem Verein. „Weil ich mich ständig verbessern wollte, zog es mich immer weiter“, sagt er.

Unter seinem ersten Trainer Gerd Nuffer begann er als Grundschüler beim VfB Neuffen, in Nürtingen absolvierte er am Säer die kaufmännische mittlere Reife und spielte unter Vlado Tumbas, Reiner Nietsch und Gerhard Kindermann beim dortigen FV. Mit 17 heuerte er beim VfL Kirchheim an, wo er in der A-Jugend für viel Tore und Furore sorgte – schnell spielte er unter VfL-Trainer Hans-Martin „Hansi“ Kleitsch in der ersten Mannschaft, in der er zum Shootingstar der Oberliga-Rückrunde 1992/93 wurde. Im Sommer 1993 unterschrieb er beim VfB Stuttgart seinen ersten Profivertrag. Dort spielte er überwiegend in der zweiten Mannschaft, war enttäuscht – Brdaric wurde nach nur einer Saison an den damaligen Bundesligisten Fortuna Düsseldorf ausgeliehen. Brdaric blieb danach in Nordrhein-Westfalen, wo er zunächst zum Zweitligisten Fortuna Köln (1996 – 1999) wechselte und dann mit Bayer Leverkusen deutscher Vizemeister (2002) und Nationalspieler wurde.

Seinen sportlichen Höhepunkt erreichte Brdaric unter Trainer Ralf Rangnick bei Hannover 96 (2003/2004). In der Saison 2004/2005 spielte er dann für den VfL Wolfsburg und wechselte zum Saisonende für 1,8 Millionen Euro wieder zurück zu Hannover 96. Insgesamt acht Einsätze und ein Tor verzeichnete der mitunter eigenwillige Stürmer im Dress der Nationalmannschaft. Noch heute steht er zu seiner Aussage aus Hannoveraner Zeiten, wonach „mir ein 4:4, bei dem ich alle vier Tore schieße, mehr bedeutet, als ein Sieg meiner Mannschaft“.

In seiner Karriere eckte Brdaric, der eine eigene CD aufgenommen hat („Die wilde 13“), auch schon mal an, und legendär ist sein Rasen-Techtelmechtel im Jahre 2003 mit Bayern-Keeper Oliver Kahn: Damals packte ihn der Nationaltorhüter in einem Bundesligaspiel von hinten am Hals und rüttelte ihn vor laufender Kamera durch. Dass ihm in Deutschland kein guter Ruf vorauseilt, glaubt Brdaric nicht. „Viele Leute kennen mich nur als Fußballer und nicht als Mensch“, sagt er, der sich oft missverstanden und von den Medien in die falsche Schublade gesteckt fühlte. Dagegen kämpft er – und er will eine gute Zukunft. Spätestens mit 40 wolle er sagen können, dass er „angekommen“ sei.