Lokalsport
„Wir sind jetzt schon gläsern“

Politik Sportschützen wehren sich gegen Pläne der Regierung für eine erneute Verschärfung des Waffenrechts. Der Weg zur eigenen Waffe im Verein ist lang. Von Bernd Köble

Den „Nancy Phaser“ gäbe es auch künftig einfach so zu kaufen. Die selbst entworfene Spielzeugwaffe, mit der ein Händler aus Albstadt im Januar seinen Protest gegen die geplante Verschärfung des Waffenrechts zum Ausdruck brachte, sollte zeigen: Man kann über ein ernstes Anliegen auch lachen. Dabei ist das, was hinter den Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) steckt, ein Thema, das alle angeht. Nach der Razzia gegen eine hochgerüstete Reichsbürger-Szene und den Krawallen in der Silvesternacht, als in Berlin und anderen Städten die Polizei mit Schreckschusswaffen bedroht wurde, stellt sich für die Regierung die Frage, ob es hierzulande zu leicht ist, an Schusswaffen zu kommen.

Wie immer, wenn es um eine Reform des Waffenrechts geht – zuletzt im Sommer 2021 – melden sich die zu Wort, die sich zu Unrecht sanktioniert und an den Pranger gestellt sehen. Der Deutsche Schützenbund (DSB), das Forum Waffenrecht (FWR) und der Deutsche Jagdverband (DJV), die mehr als zwei Millionen legale Waffenbesitzer vertreten, haben sofort reagiert und die Reformpläne als blanken Aktionismus und Symbolpolitik bezeichnet.

Schärfere Kontrollen, strengere Regeln für halbautomatische Waffen und ein intensiverer Austausch von Landrats- und Ordnungsämtern mit der Polizei – das alles bräuchte es gar nicht, würde bereits geltendes Recht konsequenter als bisher angewandt. Vereins-Abteilungsleiter Joachim Poppek, der diese Meinung vertritt, macht sich am Wochenende auf den Weg ins bayerische Obertrautling. Dort kämpfen die Luftpis­tolenschützen des TSV Ötlingen nach Jahren der Zweitklassigkeit um die Rückkehr in die Bundesliga. Das Sportgerät, das die Schützen aus dem Rübholz verwenden, ist für jedermann im Handel frei käuflich, darf jedoch in der Öffentlichkeit nicht mit sich getragen werden. Die große Mehrheit der Schützen betreibt ihren Sport allerdings in mehreren Disziplinen und verfügt daher über eine Waffenbesitzkarte, die es ermöglicht, auch großkalibrige Schusswaffen bei sich aufzubewahren und damit auch zu schießen.

Dass Kriminelle oder psychisch kranke Menschen keinen Zugang zu Schusswaffen haben dürfen, steht auch für Poppek fest. Dafür bräuchte es für ihn und seine Mitstreiter allerdings keine schärferen Gesetze, sondern intensivere Kontrollen innerhalb des bereits geltenden Rechts. Doch dafür fehlt Behörden allzu häufig Zeit und Personal. Im Ruf nach strengeren Gesetzen sieht die breite Allianz aus Waffenbesitzern daher vor allem ein Mittel der Politik, um vom eigentlichen Problem abzulenken: dem illegaler Waffen. „Wir im Verein sind jetzt schon gläsern“, betont Poppek. „Wenn die Polizei bei mir klingelt, dann weiß sie genau, was sie hier findet.“ So wie im TSV Ötlingen mit seinen 82 Mitgliedern in der Sportschützen-Abteilung hat man fast überall gelernt, mit dem Generalverdacht zu leben. Seit dem Amoklauf von Winnenden, bei dem am 11. März 2009 ein 17-Jähriger mit der Waffe seines Vaters, der Mitglied im Schützenverein war, 15 Menschen und sich selbst tötete, hat sich die Stimmung verschärft.  

Dabei ist die Mitgliedschaft im Schützenverein kein Weg, um leicht und vor allem schnell an eine Waffe zu kommen. Wer als Mitglied im TSV Ötlingen sich eine solche anschaffen will, muss zuvor mindestens ein Jahr lang regelmäßig an Training und Wettkämpfen teilgenommen haben, die in einem Schießbuch vermerkt sind. Frühestens dann folgt ein Sachkunde-Lehrgang, den Verbände mit geschultem Personal anbieten. Erst danach lässt sich beim Schützenverband eine Waffe beantragen, die behördlich registriert wird. Nicht ohne sich vorher polizeilich durchleuchten zu lassen.

Ein Gesetz, das es Sportschützen verbietet, Waffen daheim aufzubewahren, war eine der Forderungen nach den Ereignissen von Winnenden. Ein Schritt, der aus Sportstätten wie dem Ötlinger Rübholz allerdings wahre Waffen-Arsenale machen würde. „Das“, meint Joachim Poppek, „kann niemand ernsthaft wollen.“ 

 

Immer mehr Kleine Waffenscheine in Umlauf

Die Zahl der Kleinen Waffenscheine, die im Kreis Esslingen in Umlauf sind, steigt kontinuierlich. Bis 31. Januar dieses Jahres waren beim Landratsamt als Waffenbehörde 2200 solcher Dokumente registriert. Zum 31. 12. 2018 waren es 1520. Die Ordnungsämter der Großen Kreisstädte sind selbst für die Registrierung von Waffen zuständig. Den Kleinen Waffenschein gibt es seit April 2003. Die Einführung war Teil einer Novelle im Waffenrecht nach dem Amoklauf in Erfurt 2002.
Der Kleine Waffenschein berechtigt unter anderem zum Führen von sogenannten Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. Besitzer müssen mindes­tens 18 Jahre alt, ohne Vorstrafen und körperlich wie auch geistig geeignet sein. Antragsteller dürfen zudem weder alkohol- noch drogenabhängig sein.
Insgesamt sind im Kreis Esslingen zurzeit 15 967 registrierte Waffen in Privatbesitz. Ende 2021 lag sie noch bei 14 934. Die Zahl der festgestellten Verstöße gegen die Aufbewahrungspflicht ist dagegen rückläufig. Sie lag im vergangenen Jahr bei sechs. 2018 wurden bei Kontrollen in 34 Fällen Verstöße festgestellt.  bk