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Wird Jogi Löw der nächste VfB-Trainer?

Spekulationen Bei einem inoffiziellen Treffen in der Jesinger „Harmonie“ diskutiert Stuttgarts Vorstandsvorsitzender Alexander Wehrle mit VfB-Granden die aktuelle Situation des Fußball-Bundesligisten. Von Klaus Schlütter

Harmonie ist die Umschreibung für Wohlklang, für Übereinstimmung, für gut miteinander auskommen. Von derlei Konsens kann beim VfB Stuttgart, dem Drittletzten der Bundesliga, in diesen Tagen keine Rede sein. Diese Erkenntnis bestätigte sich bei einer Diskussionsrunde mit Abendessen in der Jesinger „Harmonie“, zu dem Mitinhaber Oliver Schraft, ehemaliges Vorstandsmitglied der „Roten“, eingeladen hatte. Am Siebener-Tisch debattierten der aktuelle Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle (47), der ehemalige Präsident Erwin Staudt (74), einst VfB-Kapitän und Nationalspieler Karl Allgöwer (65), Ex-Profi Helmut Dietterle (71), jetzt Trainer der SF Dorfmerkingen, sowie zwei Journalisten-Kollegen.

Die (inoffiziellen) Gespräche ließen manche Schlussfolgerung zu. So die nicht sehr überraschende Annahme, dass der Posten von VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo nach bisher acht sieglosen Spielen wackelt und ein alter Bekannter als Nachfolger bereits in der Warteschleife steht: Joachim Löw (62). Mit dem ehemaligen Nationaltrainer hat der VfB kürzlich schon verhandelt, allerdings nicht um ihn als Coach, sondern als Berater zu gewinnen. „Jogi“ gab den Schwaben einen Korb, weil er sich weiterhin eher als Trainer sieht.

Löw, der nächste VfB-Trainer? Die Frage liegt auf der Hand und mehr als nur ein Indiz spricht dafür. Wehrle gab zu, dass es im Verein seit Beginn dieser Saison eine Liste möglicher Trainer gibt, die frei sind und für den VfB im Fall der Fälle sofort in Frage kämen. Es gilt als sicher, dass auch Löw auf dieser vereinsinternen Liste steht. Und zwar an vorderster Front. Der gebürtige Schwarzwälder trug als Spieler das Trikot mit dem roten Brustring (1980). Er war von 1995 bis 1998 ein erfolgreicher VfB-Trainer, obwohl ihn der damalige Vereinspräsident Mayer-Vorfelder nie hundertprozentig akzeptierte. Löw gewann 1997 mit den „Roten“ den DFB-Pokal und stand 1998 mit dem VfB im Europapokal-Endspiel der Pokalsieger (0:1 gegen Chelsea). Überragend seine Bilanz später als DFB-Nationaltrainer: In 15 Jahren einmal Weltmeister, Confed-Cup-Sieger, Vize-Europameister. 2014 wurde er zum „Welttrainer des Jahres“ gewählt.

Nun hängt alles davon ab, ob der VfB nach acht sieglosen Spielen in der Bundesliga endlich die Kurve kriegt. Wenn nicht, ist auch ein sehr bemühter, loyaler und sympathischer Trainer wie Matarazzo nicht mehr zu retten.

Bei Sven Mislintat, der mit Matarazzo eng zusammenarbeitet, verhält sich das Problem anders. Bisher war der Sportdirektor für die Öffentlichkeit der starke Mann, wegen seiner offenen Art beliebt vor allem bei der jüngeren Generation der Fans. Durch die kurzfristige Verpflichtung der beiden 2014-Weltmeister Philipp Lahm und Sami Khedira als Berater fühlt er sich in seinen Kompetenzen beschnitten. Während sich Lahm distanziert verhält und vorwiegend mit Wehrle kommunizieren will, war Khedira bei den Profis sofort präsent. Er beobachtet Trainingseinheiten, Spiele und steht im Austausch mit Sportchef und Coach.

Am engsten mit Mislintat zusammenarbeiten soll Christian Gentner. Der 37-jährige Vorzeigeprofi aus Beuren mit Vergangenheit beim VfL Kirchheim beendet zum Jahresende seine Spieler-Laufbahn beim FC Luzern und wird dann Leiter der Lizenzspielerabteilung beim VfB. Die Installation des Ex-Nationalspielers – ein Misstrauensvotum für Mislintat, der bisher allein das Sagen hatte? Dass er von Gentners Verpflichtung nichts wusste, könnte als Affront gegen ihn bewertet werden.

Wehrle bestreitet das und kündigte im Rahmen der Diskussionsrunde in Jesingen demnächst „intensive Gespräche“ mit dem Sportchef an, dessen Vertrag 2023 ausläuft. „Wir sind keine angenehmen Gesprächspartner, wenn es um Verträge geht“, so der Vorstandsboss. Er lässt keinen Zweifel daran, dass sich Mislintat mit den drei Matadoren arrangieren muss. Wenn nicht, ist er wohl die längste Zeit Sportchef gewesen.