Holzmaden. „Da stimmt doch was nicht.“ Dieser Satz ist an jenem Abend wohl fast allen Beteiligten durch den Kopf gegangen. Der Holzmadener Gemeinderat sollte in seiner Sitzung unter anderem eine Vorschlagsliste für die Schöffenwahlperiode 2014 bis 2018 aufstellen. Bei einer Gemeinde von Holzmadens Größe bedeutet das, zwei Personen zu benennen, die als Kandidaten für die Schöffenwahl ins Rennen geschickt werden. Die tatsächliche Wahl trifft dann ein vom Amtsgericht gebildeter Ausschuss.
„Es freut uns, dass es so viele Bewerber gibt“, betonte Holzmadens Bürgermeister Jürgen Riehle. Sechs Holzmadener hatten ihren Hut in den Ring geworfen. Zwar musste einer der Kandidaten von der Liste gestrichen werden, da er zuletzt in zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden Schöffe gewesen war – ein Ausschlusskriterium. Immerhin fünf Bewerber standen damit aber noch zur Wahl.
Anfangs lief alles noch wie geschmiert. Jedes Gemeinderatsmitglied notierte zwei Namen auf jeweils einem Zettel. Schon nach der ersten Runde hatte ein Kandidat die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht. In Holzmaden bedeutet das, dass mindestens acht Stimmen auf einen Bewerber entfallen müssen, damit er als gewählt gilt.
Schon nach der zweiten Wahlrunde schwante es so manchem, dass eine schnelle Lösung nicht in Sicht war. Kein Kandidat konnte die Zweidrittelmehrheit erzielen, vielmehr verteilten sich die Stimmen gut. Es folgten ein dritter, ein vierter und ein fünfter Wahlgang. Abwechselnd sammelten Holzmadens Hauptamtsleiterin Roswitha Haselbeck und Weilheims Stadtkämmerer Sascha Schneider mit einem Körbchen die Zettel ein und werteten sie aus – nur um immer wieder zum gleichen ernüchternden Ergebnis zu kommen: Kein weiterer Kandidat hatte es geschafft.
Ein Blick in die dicken Gesetzesbücher und die Verwaltungsvorschriften brachte die Holzmadener Gemeindeverwaltung aber auch nicht weiter: „Es muss eine Zweidrittelmehrheit geben“, lautete die Feststellung. Eine Verkürzung des Verfahrens sei nicht vorgesehen. Es folgten ein sechster, ein siebter und ein achter Wahlgang, und die Gesichter wurden immer ratloser.
Mit einem genauen Blick auf die Kandidaten, einer letzten Klärung der Personalien und mit dem Appell, endlich zu einem Ergebnis zu kommen, wurde der neunte Wahlgang eingeläutet. Dieser führte dann endlich zum Erfolg. Neun Stimmen konnte ein zweiter Kandidat auf sich vereinen: Holzmaden schickt damit Edmund Meißnest und Brigitte Schaufler ins Rennen.
Trotz aller Erleichterung blieb die Verunsicherung: Ist das alles tatsächlich richtig gewesen?
Ein Rundruf des Teckboten beim Justizministerium, dem Gemeindetag und dem Rechtsamt in Esslingen ergab zunächst einmal eines: Holzmaden hat das vorgeschlagene Prozedere befolgt und alles richtig gemacht.
Dass das Problem den befragten Behörden aber trotzdem noch nie untergekommen ist, hat offenbar einen anderen Grund. Weil sich in Holzmaden fast drei Mal so viele Personen für das Schöffenamt beworben haben wie die Gemeinde überhaupt in die Vorschlagsliste aufnehmen darf, hatten die Gemeinderäte die Qual der Wahl – ein Luxusproblem, auch im Vergleich zu anderen Kommunen im Kreis.
So gab es zuletzt etwa in Ohmden zwei Bewerber für zwei Plätze. In der größten Stadt im Kreis, in Esslingen, ist die Situation wieder anders. 40 Personen muss die Stadt auf die Liste setzen, aber höchstens 20 bewerben sich in der Regel freiwillig. „Wir bitten dann die Parteien um Vorschläge für die restlichen 20“, berichtet Bruno Vogt, Leiter des Esslinger Rechtsamts. Sind endlich genügend Kandidaten beisammen, geht die Liste meist unkompliziert durch den Gemeinderat. Auch in Holzmaden gab es bei den vergangenen Malen zwei oder drei Bewerber, nicht aber fünf.
Das alles legt nahe, dass das Auswahlsystem der Schöffen kaum für einen solchen Andrang auf die Ämter ausgelegt ist. „Meist fehlt es an Bewerbern“, bestätigt eine Gemeindetagssprecherin. Die langwierige Wahlprozedur ist also ein reines Luxusproblem, das übrigens auch noch anders gelöst werden kann, wie Recherchen der Holzmadener Gemeindeverwaltung ergeben haben: „Wir hätten die Wahl auch abbrechen und noch einmal neu ausschreiben können“, so Jürgen Riehle.