Auf der Berufsinformationsmesse stellten gestern Auszubildende Schülern ihre Berufe vor
Mädchen in „Männerberufen“

Voll war es gestern auf der fünften Berufsinformationsmesse in der Kirchheimer Stadthalle. Rund 150 Referenten informierten Schüler aus der Umgebung über Ausbildungsberufe. Organisiert wurde das Ganze von der Jugendagentur.

Kirchheim. Meist mit ihren Lehrern kamen vormittags Mädchen und nachmittags Jungen in die Stadthalle. Die Trennung hat den Hintergrund, dass sich die Jugendlichen ohne Ablenkung über mögliche Ausbildungsberufe informieren können sollten. Zwar habe sich eine Schulklasse nicht daran gehalten und am Morgen auch Jungen mitgebracht, erzählt Claudia Beck von der Jugendagentur Kirchheim-Nürtingen, doch in der Vergangenheit hat sich das System bewährt.

Obwohl teilweise auch vormittags männliche Auszubildende über ihre Berufe informieren, sieht man doch einige Frauen hinter Ständen, an denen man eher Männer erwarten würde. Beispielsweise beraten drei „Azubinen“ über die Ausbildung als Elektronikerin bei Siemens. Genau das hält Claudia Beck für wichtig. „Wenn nur Jungs bei Jungenberufen beraten, dann kommen die Mädchen nicht, weil sie sich nicht trauen.“

Und es gibt noch eine weitere Besonderheit bei der Kirchheimer Berufsinformationsmesse: Am Eingang erhalten die Besucher von den am grünen T-Shirt erkennbaren Mitarbeitern der Jugendagentur einen „Teilnehmerpass“. Mit diesem laufen sie durch die Halle und bekommen einen Stempel von jedem Betrieb, bei dem sie sich über einen Beruf informiert haben. Ziel für die Schüler sollen vier Stempel auf dem Pass sein.

Wolfgang Schinko vom KiZ, einem der Träger der Jugendagentur, berichtet, dass auch die Lehrer gute Rückmeldungen zur letztjährigen Einführung des Passes gegeben hätten. Außerdem kann es später von Vorteil sein, wenn man belegen kann, dass man sich auf der Messe bereits über den Beruf informiert hat, für den man sich bewirbt.

Auch die Betriebe haben etwas davon, sich dort so gut wie möglich zu präsentieren. Indem die Azubis von ihrer Arbeit berichten, machen sie Werbung für den Beruf, und vielleicht bewirbt sich der eine oder andere Schüler später wirklich bei einem der Betriebe, die er auf der Berufsinformationsmesse kennengelernt hat. Entsprechend sind die Stände mit Werbegeschenken und Prospekten der Firmen ausgerüstet.

Viele Auszubildende sind in ihrer Berufskleidung gekommen: Es sind junge Leute in Polizeiuniformen, Zimmererkluft und Anzügen zu sehen, und sogar einer mit Kochmütze. Dazu haben sie Gegenstände aus ihrem Arbeitsleben mitgebracht. Beim Hotelfach-Stand befindet sich ein edel gedeckter Tisch, bei den Pflegeberufen ein Modell des menschlichen Körpers. Dass der Renner dieses Vormittags die Ausbildung zur Änderungsschneiderin ist, mag vielleicht auch daran liegen, dass sich am Stand dieses Berufes Hochglanz-Brautzeitschriften und hübsche Kleider an Schneiderpuppen finden.

Doch nicht jeder Stand ist so umschwärmt: Drei weibliche Auszubildende von der Stadt Kirchheim, die den Beruf „Verwaltungswirtin“ beziehungsweise das Public Management-Studium zum Bachelor vorstellen, konnten nicht so viele Interessentinnen anlocken: „Keiner kann sich etwas unter Verwaltungswirtin vorstellen.“ Eine Schülerin habe das Wort „Bachelor“ lediglich mit der aktuellen Fernsehserie assoziiert. Bei anderen hatten die Verwaltungswirtinnen in Ausbildung den Eindruck, sie seien nur auf Stempel für ihren Teilnehmerpass aus.

Clara Walter, auszubildende Landschaftsgärtnerin, informiert zum ersten Mal auf der Berufsinformationsmesse. Auch zu ihrem Stand kommen die Mädchen nicht ganz so zahlreich, da Landschaftsgärtnerei doch eher als Männerdomäne gilt – obwohl in ihrem Betrieb beispielsweise die Hälfte der Auszubildenden weiblich ist. Am Nachmittag kämen bestimmt mehr Interessenten.

Schülerin Miriam Klopp lässt sich nicht von „Jungenberufen“ abschrecken. Nach den Informationen, die sie auf der Messe erhalten hat, gefällt ihr unter anderem die Ausbildung zur Mechatronikerin sehr gut; sie würde gerne mit Maschinen arbeiten. „Und man verdient gut“, meint sie.

Für die Jugendagentur ist eine Messe mit so vielen Betrieben und Besuchern auf jeden Fall ein Erfolg. Ihr Angebot beschränkt sich jedoch nicht auf die Berufsinformationsmesse. Die Agentur will die Jugendlichen mit verschiedenen Aktionen und Beratungsterminen „ganzheitlich“ betreuen, wie Claudia Beck es nennt. Dazu gehören die Hilfe beim Finden von Praktikums- und Ausbildungsstellen und ein Bewerbungs-Coaching. Auch beim Ausbildungsabbruch kann man sich an die Agentur wenden. Dabei werden die Jugendlichen nicht auf ihre Karriere reduziert: Eventuelle familiäre Probleme werden ebenfalls in die Beratung mit einbezogen. Gebildet wird die Jugendagentur aus verschiedenen Trägern in der Region, wie zum Beispiel dem Kreisjugendring, der Stiftung Tragwerk und dem KiZ.