Kirchheim. König David wusste um die Macht der Musik. 73 der 150 biblischen Psalmen nennen ihn als Verfasser. Auch der Kaiser von China erfuhr die Macht lebendigen Gesangs – zumindest in der Erzählung „Des Kaisers Nachtigall“ von Hans Christian Andersen. Beim Konzert in
Sankt Ulrich trafen sich die beiden Herrscher.
Knapp 200 Zuhörer waren zum Konzert in die Kirche Sankt Ulrich gekommen, das zugunsten der Teckboten-Weihnachtsaktion gegeben wurde. Sie wurden mit wunderschönem Chorklang – durchweg ohne Instrumentalbegleitung – und einer höchst vergnüglichen Lesung belohnt. Für das geistliche Konzert unter dem Motto „Sende dein Licht“ hatten sich Chöre aus fünf Orten zusammengetan: der Männerchor Bad Saulgau, der Gemischte Chor und Chorios Suppingen, die Stotzinger Mädchenkantorei, der Mittelstufenchor der Freien Waldorfschule Ulm – alle unter der Leitung von Christian Vogt – und der Liederkranz Göppingen, geleitet von Gunther Rall. Weil Vogt früher als Chorleiter im Raum Kirchheim tätig war, organisierte er zusätzlich zu den Konzerten in den Heimatorten der Chöre am Freitagabend ein Gastspiel an seinem alten Wirkungsort.
Zuerst hatte jeder Chor für sich geprobt, bei der ersten und einzigen gemeinsamen Probe kam dann der für alle spannende Moment: Wie wird sich der gemeinsame Chorklang anhören? Schnell merkten die 200 Sänger, dass ein solch großer Chor viel träger zu steuern ist und arbeiteten fünf Stunden lang hart an ihrem A-cappella-Gesang mit teils achtstimmigen Sätzen. Kurze, aber sehr schwere Werke wie die „Kleine Friedensmotette“ von Karl-Heinrich Büchsel verlangten den Sängern aus vier Generationen sehr viel ab.
Den Auftakt der Psalmvertonungen machte „Jauchzet dem Herrn, alle Welt“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Bei „Wirf dein Anliegen auf den Herrn“ kam König David zu Wort. Sofort war klar: Da sang endlich einmal kein Chor, bei dem Männer Mangelware sind, sondern einer mit etwa 40 gestandenen, konzentrierten, stimmlich bestens präsenten Herren, davon 30 aus Bad Saulgau. Der tiefe Männergesang und die zarten Stimmen von Mädchenkantorei und Mittelstufenchor ergänzten sich klanglich vorzüglich. Von den insgesamt 200 Sängern waren in Sankt Ulrich etwa 150 vertreten, für mehr wäre es räumlich zu eng geworden. Die gute Akustik der Kirche kam dem ausgewogenen Chorklang sehr entgegen. Eine kleine Schwäche war allerdings, dass sich die Sänger vereinzelt bei Konsonanten nicht trafen. Überzeugend waren die große Dynamik, die die beiden sich abwechselnden Dirigenten ihren Sängern entlockten, und die Sicherheit auch bei schwierigsten Harmonien.
Mehrfach gab es während des Konzerts spontanen Applaus, das erste Mal nach der freudigen Spiritual-Einlage „I can tell the world“. Als das Lied später als Zugabe wiederholt wurde, klang das Stück nochmals gelöster. Auch bei den modernen klassischen Werken hatten die Dirigenten eingängige, harmonische Stücke ausgewählt, etwa „Von guten Mächten“ und „Wie lieblich sind mir deine Wohnungen“ des 1949 geborenen Karl-Peter Chilla. Sehr schön erklang auch die zehnminütige „Sotzweiler Mauritius-Messe“ von Alwin Schronen, Jahrgang 1965. Gesungen wurde auf Deutsch, Latein und Englisch, das Programm bot alle Texte in deutscher Übersetzung. Es waren Texte, die einer gestressten Seele guttun. Texte, in denen die Klage genauso Platz hat wie die Freude und das Lob Gottes.
Ein meisterhaft formulierter Text war auch „Des Kaisers Nachtigall“, in sechs Teilen ebenso meisterhaft vorgetragen von Manfred Tächl, der mit Sprache Bilder zu malen vermochte. Andersen lebte von 1805 bis 1875; das von ihm geschilderte Geschehen um die künstliche Nachtigall kann als geradezu prophetische Kritik an der modernen Musikberieselung verstanden werden. Nur der Gesang der echten Nachtigall kann dem kranken Kaiser helfen, nicht der Blechvogel: Livemusik statt Konserve. Köstlich beschreibt Andersen, wie der Hofstaat auf der Suche nach der Nachtigall draußen dem echten Leben begegnet und dabei die Nachtigall nicht von einer Kuh und einem Frosch unterscheiden kann.
Vor dem Heimweg profitierten die Zuhörer noch davon, dass der Chor sich nicht für eine Zugabe entscheiden konnte. So gab es deren zwei: An der Seite von „I can tell the world“ erklang die Wiederholung von Felix Mendelssohn-Bartholdys „Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir“.