Kirchheim. Rund 60 Zuhörer waren am Donnerstagabend in die Buchhandlung Zimmermann nach Kirchheim gekommen. Darunter befanden sich zahlreiche Eltern, die sich von der Fachfrau Tipps zum Umgang mit ihren Pubertierenden erhofften. Wer sich jedoch auf einen Vortrag in Form einer Erlebniserzählung gefreut hatte, um über sich selbst und seine Probleme mit den Heranwachsenden lachen zu können, der wurde von der Sozialwissenschaftlerin enttäuscht und vielleicht sogar überfordert.
Barbara Sichtermann verzichtete bewusst auf den sich wiederholenden alltäglichen Kleinkrieg in der Familie von Pubertierenden. Sie hielt wortgewaltig und akzentuiert ein Referat über ihr Buch, zeigte dabei viele Facetten dieser Entwicklungsphase auf und gab Denkanstöße. Die wesentliche Erkenntnis aus ihren Ausführungen war, dass die Pubertät „den Zerstörungsprozess der Kindheit“ darstellt – und dass man bisher der Zeit vor der Pubertät, der sogenannten Latenz, viel zu wenig Beachtung geschenkt hat.
Zwischen dem fünften und zwölften Lebensjahr hat Sexualität laut Sichtermann bei Kindern keinen Einfluss. Die Kinder wachsen in dieser Zeit geistig, lernen lesen, schreiben, nehmen andere Sprachen spielend auf. In der Pubertät bekommt die Sexualität Raum. „Die Sexualität sollte als eine Macht angesehen werden, die die geistige Ordnung und die körperliche Integrität der kindlichen Persönlichkeit zerstört“ schreibt Sichtermann in ihrem Buch „Pubertät – Not und Versprechen“. Damit werde eine psychophysische „Baustelle“ ausgerichtet, „deren Anblick und Ausstrahlung einfach nicht friedlich und harmonisch sein kann“. Das führe bei den Heranwachsenden und den Eltern zu Verwirrungen.
In der Pubertät gehe es sehr konservativ zu, so Sichtermann. Mädchen würden Filmstars probelieben, und Jungs setzten sich in der Peergroup probehalber durch. Die Jugendlichen stemmen sich gegen die Eltern und richten sich testhalber eigene Reviere ein. Es wird verhandelt um Taschengeld, um Ausgeh- und Computerbenutzungszeiten. Die Eltern sitzen dabei immer am längeren Hebel. Und wenn die Auseinandersetzungen noch so hart geführt werden oder wenn es gar zum Bruch kommt, Sichtermann gibt Entwarnung und macht manchem Elternteil Hoffnung.
„Kinder kommen immer wieder zurück, die Bindung zu den Eltern ist stark“, so Sichtermann. Sie plädierte für weniger Kontrolle und Abschied von einer aktivistischen Haltung. „Wer nur immer sein Leben, alles im Griff haben will, nichts geschehen lassen kann, der ist innerlich tot“, so Sichtermann.
„Mama du bist so peinlich“ sei der Lieblingsspruch der „Pubis“. Sichtermann anwortete auf die Frage, wie Eltern mit solchen Sätzen umgehen sollten mit dem Tipp: Gelassen bleiben und Verständnis für die Jugendlichen haben, die selbst oft sehr unsicher seien. Gelassenheit müsse man allerdings schon vorher einüben. Mit dieser Disziplin in der Pubertät der Kinder zu beginnen sei schwierig, so die dreifache Mutter. Auch ihre Kinder seien mehr oder weniger problematisch durch diese Phase gegangen. Jedes anders und auf seine ganz eigene Art.