Was wäre wenn? Am Ende der Handballsaison beginnen die Planspiele. Die Auf- und Abstiegsszenarien - ein Dickicht, das nur durchschaut, wer viel Zeit und Fachwissen mitbringt. Die Relegation ist wahrlich nichts für Freunde simpler Antworten. Schuld daran sind eine ungerade Zahl von Staffeln in den jeweiligen Ligen, die die Durchlässigkeit erschweren. Das könnte sich jetzt ändern. Der Handballverband Württemberg (HVW) will seine Spielklassen neu ordnen und damit gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Mehr Qualität an der Spitze soll das krasse Leistungsgefälle, wie es in manchen Staffeln - vor allem im Frauenhandball - herrscht, beseitigen. Weniger Spiele könnten im Gegenzug eine Lösung sein für das drängendste Problem überhaupt zurzeit: die Schiedsrichternot. Insgesamt käme das neue Modell verbandsweit mit 108 Spielen weniger aus.
Das Wichtigste aber: „Die bisherige Pyramide funktioniert so nicht“, schildert Michael Roll, der verantwortliche Mann für die Spieltechnik im HVW, das Grundproblem. Durchgangsstation zwischen den beiden Württembergligen und den insgesamt acht Bezirken im Verbandsgebiet sind bisher drei Landesliga-Staffeln. Eine klare geografische Zuordnung ist durch die ungerade Zahl kaum möglich. Die Idee: eine eingleisige Württembergliga mit nur noch zwei nachgelagerten Landesliga-Staffeln und einer vierteiligen Bezirks-Oberliga als völlig neuer Spielklasse darunter.
Hinter der Bezirks-Oberliga stecke nur ein Arbeitstitel, sagt Michael Roll. Wie das Neugeborene am Ende heißen soll, ist völlig offen. Sicher ist nur: Die gerade Zahl an Staffeln soll für mehr Transparenz sorgen. Sorgenkind bleibt die Baden-Württemberg-Oberliga (BWOL), die zwar nicht mehr zum alleinigen Hoheitsgebiet des Verbandes zählt, an der sich allerdings ein Luxusproblem der Württemberger ablesen lässt: Elf von 16 Mannschaften dort stammen aus dem Gebiet des HVW. Im schlimmsten Fall wären bis zu fünf Absteiger in eine dann eingleisige Württembergliga denkbar.
Die Leistungskonzentration an der Spitze mit weniger Mannschaften und weniger Spielen finden auch aus anderen Gründen nicht in jedem Verein Fürsprecher. Abteilungsleiter Uwe Hamann vom Landesliga-Aufsteiger VfL Kirchheim kennt auch die Kehrseite: Längere Auswärtsfahrten und ein Spielermarkt, der finanziell noch umkämpfter werden dürfte als bisher. „Der verschärfte Leistungsgedanke bereitet uns auch in der Jugend zudem Probleme“, meint er. „Wir sind als Verein schließlich dem Breitensport verpflichtet.“ Dass das, was sich an der Spitze der Pyramide verschärft, weiter unten durchaus attraktiv sein könnte, bestreitet allerdings auch Hamann nicht. In einer neuen Bezirks-Oberliga wären spannende Lokalkämpfe mit entsprechender Zuschauerbeteiligung auf höherem Niveau als in der Bezirksliga garantiert.
Michael Roll hat für viele Vorbehalte an der Basis wenig Verständnis. Steigende Kosten gälten in vielen Vereinen als Totschlagargument. „Wer oben mitmischen will, muss irgendwann auch Geld in die Hand nehmen. Viele Vereine sehen sich als reinen Breitensportanbieter, wollen aber so hoch wie möglich spielen“, sagt er.
Bisher ist es nicht mehr als ein Stimmungsbild, das man sich im HVW zeichnen will. In sechs von acht Bezirken wurde das Modell in den vergangenen Wochen in Abteilungsleiterversammlungen vorgestellt - mit unterschiedlichen Reaktionen. Der Einwand, der häufig zu hören ist: Dahinter stecke allein das Ziel, die Anzahl der Begegnungen zu verringern, um drohende Spielausfälle wegen Schiedsrichtermangels zu verhindern. „Viel wichtiger wäre es, in die Qualität der Ausbildung zu investieren und neue Anreize für Schiris zu schaffen“, sagt Uwe Hamann. „Aber auch das kostet halt Geld.“