Kreis Esslingen. Gerhard Pidde ist 70 Jahre alt und hat 48 Berufsjahre auf dem Buckel. Der Maschinenbautechniker im Ruhestand hatte Eltern, die sich um ihn kümmerten,
Ausbilder, die sein Vertrauen in die eigene Arbeit und damit sein Selbstbewusstsein stärkten, und die richtigen Vorgesetzten, die ihn forderten und förderten. Sein Schützling Jan (Name geändert) hat einen Vater, der nichts von ihm wissen will, hatte eine alkoholkranke Mutter, um die er sich bis zu ihrem Tode sorgte, und lebte im Alter von acht bis 18 Jahren im Esslinger Theodor-Rothschild-Haus. Dass er mittlerweile in einer eigenen Wohnung in Reichenbach zuhause ist und einen Meister gefunden hat, der ihn in ein Praktikumsverhältnis mit Aussicht auf ein festes Ausbildungsverhältnis genommen hat, hat auch damit zu tun, dass sich die Lebenswege von Gerhard Pidde und Jan vor ein paar Jahren gekreuzt haben. „Ich wollte etwas von der der Unterstützung und dem Glück zurückgeben, das ich in meinem Leben erfahren haben“, sagt Pidde. Knapp zwei Jahre lang hat er sich intensiv um Jan und dessen Bedürfnisse bemüht.
Er ist einer von rund 70 Ehrenamtlichen, die sich im Kreis Esslingen als individuelle Lern- und Ausbildungsbegleiter um rund 120 Jugendliche an 20 Schulen und 30 Betrieben im Landkreis Esslingen kümmern (Zahlenstand von 2013). Das Projekt, das 2006 unter der Koordination des Staatlichen Schulamts – damals noch im Landratsamt – angelaufen ist, wird seit 2012 vom Kreisjugendring Esslingen, der BBQ Berufliche Bildung gGmbh und der Bruderhausdiakonie getragen. Die persönliche Begleitung richtet sich sowohl an Schüler von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen ab Klasse sieben als auch an Jugendliche, die an der Schnittstelle Schule –Ausbildung stehen oder während der Ausbildung Probleme haben. „Mittlerweile sind auch viele junge Flüchtlinge darunter“, ergänzt Anja Hennig von der Bruderhausdiakonie den ausgeweiteten Adressatenkreis.
Der Bildungsträger BBQ sorgt unter dem Projektnamen „Leuchtturm“ im Raum Esslingen und den Fildern dafür, dass sich der passende Deckel auf den Topf findet, der Kreisjugendring koordiniert Angebot und Nachfrage im Raum Plochingen und die Bruderhausdiakonie bringt Jugendliche und Ehrenamtliche unter dem Projektnamen „Coaching 2gether“ im Raum Nürtingen, Kirchheim und Wendlingen zusammen. „Wir wollen den Jugendlichen einen erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung ermöglichen“, beschreibt BBQ-Mitarbeiterin Silvia Gesierich das gemeinsame Anliegen der Trägergemeinschaft. Qualifizierungsangebote, Fortbildungen für die Mentoren und ein monatlicher Austausch der Ehrenamtlichen haben sich die Träger ebenso aufs Banner geschrieben wie eine Wertschätzungskultur für die Freiwilligen.
Der Einstieg ins Mentorenprojekt ist für beide Seiten jederzeit möglich. „In der Regel kommen die Lehrer auf uns zu“, berichtet Hennig. „Wir schließen dann eine Vereinbarung mit den Schülern und mit den Mentoren.“ Es gibt aber auch persönliche Begleiter speziell für Auszubildende. Nach übereinstimmender Auskunft der Träger findet das Programm nicht nur an den Schulen, sondern auch in den Betrieben große Resonanz. Dabei geht es nicht nur um die Unterstützung der Jugendlichen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. „Es kommen auch Firmen auf uns zu, wenn es in einer Ausbildungsphase mit einem Jugendlichen gerade etwas schwierig läuft,“ so BBQ-Mitarbeiterin Martina Wendt. Die Nachfrage nach diesen Unterstützungsangeboten in Schule und Betrieb ist so groß, dass längst nicht alle in Frage kommenden Jugendlichen ihren persönlichen Begleiter bekommen. „ Wer mitmachen möchte, sollte einfach Lust am Umgang mit jungen Menschen haben“, wirbt Wendt um weitere Freiwillige. Ob Ingenieur oder Floristin, Abiturient oder Pensionär . . .
Dass die professionelle Begleitung durch die Träger wichtig ist, unterstreicht Edmund Feth, der im Landratsamt die Sozialen Dienste leitet. Dort will man dafür sorgen, dass das Projekt weiterhin mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert wird. „Die Träger verstehen die Jugendlichen und die Ehrenamtlichen, sie können Brücken bauen“, betont auch Uwe Maurer vom Staatlichen Schulamt die Notwendigkeit, Kinder und Jugendliche „bei ihrem Weg ins Leben“ zu unterstützen.