Nürtingen. „Ich komme wieder“, hatte der Minister im Frühjahr versprochen und er hielt Wort: erste Station einer Rundfahrt mit Journalisten war die Nürtinger Neckar-Realschule. Dort gab es einen Einblick in das Konzept des Kooperativen Lernens nach Kathy und Norm Green. Die vier Lehrerinnen Anja Baral, Nicole Larger, Tanja Médard und Anusha Niese zeigten jeweils mit einer 6., einer 7. und zwei 9. Klassen in einer Modell-Unterrichtsstunde, wie das aussehen kann. Nicht nur an der Neckar-Realschule, auch an der benachbarten Geschwister-Scholl-Realschule wird die Methode seit 2008 praktiziert. Sie lebt davon, dass Schüler gemeinsam etwas erarbeiten.
Nicole Larger teilt ihren Neuntklässlern Puzzleteile aus. Jeweils drei ergeben ein Bild und führen eine Gruppe zusammen. So muss jeder mit jedem arbeiten. Gemeinsam sollen die Jugendlichen über eine Kurzgeschichte sprechen. Jedem wird eine Aufgabe zugeteilt, denn die Gruppe hat zusätzlich zum Lernziel in Deutsch auch noch ein soziales Ziel: aufmerksames Zuhören. Wer am Ende die Ergebnisse vorstellt, steht noch nicht fest, so kann sich keiner zurücklehnen und auf seine Mitschüler verlassen. Der Unterricht hat eine hohe Taktfrequenz, mit einem Gong signalisiert Larger den Beginn einer neuen Phase. „Das ist anstrengender als Frontalunterricht“, sagt eine Schülerin. Andere Schüler loben, wie die Methode die Atmosphäre in der Klasse verbessert, weil alle miteinander arbeiten müssen.
Die Methode, so verdeutlichten die Lehrer im anschließenden Pressegespräch, sei bestens geeignet, Schüler mit unterschiedlichem Wissensstand zu unterrichten, da sie davon lebt, Wissen zu teilen. Da sie mehrere Sinne anspricht und der Lernstoff mehrmals wiederholt wird, sei die Methode nachhaltiger als der reine Frontalunterricht, wie auch eine Schülerin bestätigte.
Von den 180 Schulen im Bezirk des Staatlichen Schulamts Nürtingen folgen 40 dem Konzept des Kooperativen Lernens, die „Dunkelziffer“ nicht eingerechnet, informierte Dr. Günter Klein, Leiter des Staatlichen Schulamtes Nürtingen. Messbare Ergebnisse gebe es jedoch nur international.
In der neuen Gemeinschaftsschule ist das kooperative Lernen sogar im Schulgesetz verankert, da es sich am besten dazu eigne, mit der Verschiedenheit der Schüler umzugehen. Doch noch ist in Nürtingen die Gemeinschaftsschule kein großes Thema, zum kommenden Schuljahr gibt es Gemeinschaftsschulen in Plochingen, Deizisau und Wendlingen.
Zu einem Gespräch über die Schulentwicklung in der Region wurden Minister und Journalisten ins Rathaus eingeladen. Schulamtsleiter Klein berichtet davon, wie gemeinsam in Gesprächen zwischen Schulamt, Gemeinden und Schulen, nach tragfähigen Lösungen für die Zukunft gesucht wird. Dazu werden unter anderem Geburtenzahlen und Schülerströme analysiert. Das Schulamt möchte nicht abwarten, sondern aktiv gestalten. Angesichts von nur noch zehn Prozent Schülern eines Jahrgangs, die auf Haupt- oder Werkrealschulen wechseln, sei Handlungsbedarf gegeben. An acht der 30 Werkrealschulen im Schulamtsbezirk haben sich zur Klasse 5 weniger als 16 Schüler angemeldet. Kann diese selbst keine Oberstufe anbieten, können die Schüler auf ein berufliches Gymnasium oder die Klasse 10 im G8-Zug wechseln, so Stoch.
„Ziel ist es, für alle ein gut erreichbares Bildungsangebot zu schaffen“, schilderte Klein die Ziele des Schulamtes. Zwölf so genannte Bildungsraumschaften, die sich teilweise überlappen, gibt es. Innerhalb dieser Raumschaften finden die Gespräche zwischen Schulamt und Gemeinden statt.
Stoch bedankte sich für den Einblick. Er versprach, nichts von oben überstülpen zu wollen, sondern als Gesetzgeber einen Rahmen zu schaffen, der Kommunen und Eltern Planungssicherheit gibt. Eine schulgesetzliche Absicherung der Prozesse ist in Arbeit und soll nach der Sommerpause im Landtag diskutiert werden. „In den kommenden zwei bis drei Jahren wird sich viel verändern“, versprach der Minister.
