Kirchheim. Zunächst fühlte sich die Kultusministerin selbst an den Pranger gestellt. Als „Hausherr“ hatte FBS-Leiter Christoph Tangl die Arbeit der Familien-Bildungsstätte auch im Hinblick auf die Ganztagsbetreuung kurz vorgestellt und mit der Bemerkung geschlossen: „Wir würden uns wünschen, dass das nicht nur in den Reden der Politiker aus Stuttgart vorkommt, sondern auch in den Haushalten.“ Diesen Vorwurf ließ die CDU-Politikerin nicht lange auf sich sitzen. Sie erwiderte: „Ich schätze eine differenzierte Diskussion. Die Ganztagsschule kommt eben nicht nur in Sonntagsreden vor. Wenn es aus Ihrer Sicht nicht ausreicht, was wir für die Bildung tun, dann habe ich kein Problem damit. Aber wir können nicht diskutieren, wenn es gleich heißt, das Land tut gar nichts.“
Tatsächlich gebe das Land Baden-Württemberg 8,7 Milliarden Euro, also 25 Prozent des Landeshaushalts, für die Schulbildung aus. Der Dissens beim Geld für die Bildungspolitik bestehe aber nicht darin, dass man noch mehr Geld ausgeben könne, sagte die Ministerin. Das gehe immer, etwa für kleinere Klassen oder für mehr pädagogische Assistenten. Bei pädagogischen Fragen könne man sehr gut um Inhalte ringen. Beim Geld aber sehe es anders aus, denn da habe das Land noch andere Aufgaben zu erfüllen: „Ich bin als Kultusministerin Mitglied der Landesregierung. Und die Regierung muss einen verfassungsgemäßen Haushalt aufstellen.“
Deswegen hält Marion Schick auch rein gar nichts davon, in der Schulpolitik Geld für Strukturveränderungen auszugeben. Damit meint sie zum Beispiel die Diskussion über das längere gemeinsame Lernen, also etwa die Grundschule bis zur sechsten Klasse: „Ich habe keine ideologischen Probleme mit Menschen, die sich für längeres gemeinsames Lernen einsetzen, und ich sage auch nicht, dass andere Schulsysteme per se schlecht sind.“ Im Gegenteil, wenn ein Bundesland die sechsjährige Grundschule habe, solle es dieses System auch beibehalten. „Das ist Common Sense in der Bildungsforschung: Es kann keiner beweisen, dass sein System besser ist. Was wir brauchen, ist Kontinuität. Wenn wir also unsere Struktur beibehalten, dann hat das rationale Gründe und keine ideologischen.“
Auf Kontinuität setzt die Kultusministerin auch beim einmal eingeschlagenen Weg des achtjährigen Gymnasiums: „Eine Doppelstruktur mit G 8 und G 9 würde nur zu Mehrkosten führen.“ Neun Jahre bis zum Abitur, das bleibe den Realschulen und den Beruflichen Gymnasien vorbehalten. Mit dem Begriff „Qualitätsgymnasium“ meine sie auch gar nicht das achtjährige im Gegensatz zum neunjährigen Gymnasium, sondern das baden-württembergische Gymnasium als solches: „Ob G 8 oder G 9, wir sind hier ziemlich gut - und gemeinsam mit den Bayern die besten in Deutschland.“
Dass es weder bei den Gymnasien mit G 8 oder G 9 noch bei den Grundschulen mit sechsjährigen Modellen große Schulversuche geben könne, erklärte die Kultusministerin mit der Verlässlichkeit, die für das gesamte Land gelten müsse: „Wenn wir in einer Kommune einen solchen Versuch machen, dann funktioniert das auch - wenn alle Schüler dort bleiben.“ Sobald aber jemand umziehe und in der anderen Kommune kein vergleichbares Angebot finde, dann werde sofort das Ministerium dafür verantwortlich gemacht.
Ein Dauerthema, für das immer das Ministerium verantwortlich gemacht wird, war natürlich auch Gegenstand der Diskussion mit dem Kirchheimer Gesamtelternbeirat: der Unterrichtsausfall. „100 Prozent Unterrichtsversorgung werde ich nie garantieren können“, sagte Marion Schick. Das wäre so, wie wenn die Bahn zu 100 Prozent Pünktlichkeit garantiere. Von der Forderung nach genauen Statistiken hält die Kultusministerin nichts. Viel wichtiger würde sie es finden, wenn Schulen den Unterrichtsausfall besser kommunizieren - im Fall von Fortbildungen oder Schullandheimaufenthalten eben schon ein paar Wochen im Voraus. Krankheiten dagegen könne kein Schulleiter im Voraus planen, und dann müsse es auch dazugehören, „dass zwischendurch mal eine Stunde ausfällt“. Was Krankheiten betrifft, so lasse sich der Ausfall nicht so leicht durch Vertretungsstellen auffangen, wie manche glauben. „Wir haben 1 266 Lehrerstellen für Krankheitsvertretungen im ganzen Land geschaffen. Diese Stellen sind im System aufgegangen, wie ein Tropfen Wasser in der Wüste.“ Man könne ja keine Lehrer einfach so auf Halde setzen, und deshalb seien alle KV-Lehrer an ihren Schulen auch voll in den Unterricht eingebunden.
Bei vielen strittigen Themen - etwa auch bei der Frage nach direkten Vergleichen der „G 8er-Noten“ mit den „G 9er-Noten“ an einer einzelnen Schule - empfahl die Ministerin im Vogthaus das konstruktive Miteinander zwischen Eltern und Lehrern. Es gehe um eine „Erziehungspartnerschaft auf Augenhöhe“. Eltern und Lehrer sollten sich nicht als Gegenspieler begreifen. Und auch in diesem Fall wollte Marion Schick niemanden an den Pranger stellen. Denn jede Medaille hat auch ihre Kehrseite: „Viele Eltern verstehen sich als Nachhilfelehrer der Nation. Umgekehrt verstehen sich aber auch viele Lehrer als Ersatzeltern der Nation.“
An manchen Stellen allerdings gab die Ministerin auch zu, mehr Fragen als Antworten zu haben. So weiß sie derzeit nicht, wie sich der Lehrermangel in naturwissenschaftlichen Fächern beseitigen lässt. Die andere Frage, die sich Marion Schick selbst stellt, ohne eine allgemeingültige Antwort darauf zu finden, lautet: „Wie lässt sich Qualität im Unterricht erzeugen?“ Und so lautete das Fazit der Kultusministerin nach eineinhalb Stunden: „Im Bildungssystem sind wir niemals fertig. Wir werden weiter daran arbeiten, aber kein komplett neues Haus bauen.“