Stimmen zum Ausgang der Neidlinger Bürgermeisterwahl – Kammerlander vor Auszeit
„Mit 51 ist das Leben noch nicht vorbei“

Manches ist komplizierter, als es auf den ersten Blick aussieht. Das gilt auch für eine Stimmauszählung: Erst nach knapp zwei Stunden und etwas Durcheinander stand fest, wie Neidlingens neuer Bürgermeister heißt. Nun herrscht in Neidlingen große Überraschung, teils Freude und teils Frust.

Neidlingen. Der Polizeihaupt­kommissar Klaus Däschler hat mit 58 Prozent der Stimmen klar gewonnen, ab März 2014 ist er Bürgermeister in Neidlingen. Bei seiner Wahlparty im Sportheim sprach er von einem „fairen Wahlkampf“. Schön, wenn es so gewesen wäre. Doch solche, die es besser wissen, trauten bei dieser Äußerung ihren Ohren nicht. „Ich halte von Herrn Däschler sehr viel“, sagt die Gemeinderätin Petra Feller. „Ich glaube, dass er seine Sache so gut macht, wie er es vermag.“ Feller kennt Däschler schon seit der gemeinsamen Grundschulzeit, hält ihn für sehr anständig. „Was mir nicht gefällt“, sagt Feller, „ist der Hintergrund der Geschichte.“ Sie habe die Propaganda im Ort mitbekommen und mit einem zweiten Wahlgang gerechnet. Dass die Propaganda so stark gewirkt habe, lasse sie frustriert zurück. „Wenn Herr Däschler wüsste, wie er zu seinem Job gekommen ist, ich weiß nicht, ob er ihn annehmen würde.“

„Das Ergebnis in dieser Deutlichkeit hat mich überrascht“, sagt der stellvertretende Bürgermeister Uli Hepperle. „Dass es knapp wird, war seit Langem klar.“ Hepperle berichtet von der sehr guten Stimmung bei der Wahlparty. Ob für Däschler ein neuer Gemeinderat nachrücke, sei noch nicht geklärt, denn schon im Sommer 2014 seien die nächsten Gemeinderatswahlen.

„Die Überraschung ist sehr groß“, sagt Kammerlanders Vorgänger Ulrich Rieker. „Das wird einige Änderungen bringen.“ Er habe gemerkt, dass Kammerlanders Bindung zur Bevölkerung nicht so war, wie sie sein sollte. Rieker stellt das scheinbar ganz neutral fest. Äußerungen, die seine Frau Rosemarie Rieker einige Zeit vor der Wahl über Kammerlander machte, geben ein etwas anderes Bild. Finde sich zu ihm kein Gegenbewerber, gab sie der Presse zu verstehen, sei dies das Allerschlimmste, was Neidlingen passieren könne.

Wird Rolf Kammerlander zu seiner Niederlage Stellung nehmen? Einen Versuch ist es wert. Er tut dies, und tut dies erstaunlich offen, spricht von „Intrigenspiel, Verleumdungen und Gerüchten“. Zitiert aus anonymen Schmähbriefen an ihn und seine Frau, deren Inhalt es nicht verdient hat, hier näher ausgeführt zu werden. Erzählt von nachweislich falschen Vorwürfen, wie er Presseberichte manipuliert habe, und vom Vorwurf der Wahlmanipulation. „Alles Erreichte ist nichtig“, sieht Kammerlander die politischen Ergebnisse seiner vielen 60- bis 70-Stunden-Wochen völlig falsch bewertet, sich in seiner Persönlichkeit angegriffen.

Er befürchtet, die Gemeinde habe sich mit der Wahl „einen Bärendienst erwiesen“. Doch das „sollten sich andere vorwerfen“. Seine Konsequenz: Kammerlander will nun zuerst eine Auszeit nehmen, sich neu orientieren. „Mit 51 Jahren ist das Leben noch nicht vorbei.“ Eine Verabschiedung, sagt er, werde es unter diesen Umständen keine geben.

Dass jemand aus einem anderen Bereich der öffentlichen Verwaltung – so wie Däschler – Bürgermeister werde, komme immer wieder vor, sagt Klaus Neckarnuß von der Kommunalaufsicht im Landratsamt. Selten seien hingegen Bürgermeister, die zuvor außerhalb des öffentlichen Dienstes tätig waren. „Der Erfolg hängt von jedem Einzelnen ab, wie er sich für das Amt fit macht.“ Und es komme auf die Verwaltungsunterstützung an, wie sie etwa die Stadt Weilheim für Neidlingen leiste.

„Das wird Thema Nummer 1 bleiben“, ist Hepperle überzeugt, „auch über Neidlingen hinaus.“ Zu diesem Eindruck passen die mindestens sechs – teils kopfschüttelnden – Bürgermeisterkollegen, die als Beobachter zur Stimmauszählung ins Neidlinger Rathaus gekommen waren. „Meine Laufbahn hat mir gut getan“, sagt Verena Grötzinger, Bürgermeisterin von Owen. Gerade in einer kleinen Gemeinde komme es auf die Sach- und Fachkenntnis eines Bürgermeisters an. „Ich traue jedem zu, dass er sich Dinge aneignet, aber es ist eine große Herausforderung.“