Die neue Radstation am Kirchheimer Bahnhof hat gestern offiziell ihren Betrieb aufgenommen
Mit Bahn und Rad in die Innenstadt

Es ist zwar noch nicht alles fertig, aber trotzdem haben die Stadt Kirchheim und die Esslinger Beschäftigungs-Initiative (EBI) die Radstation am Kirchheimer Bahnhof gestern offiziell in Betrieb genommen. Dort werden Fahrräder überdacht und bewacht, sie werden verliehen, gepflegt und repariert.

Kirchheim. Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker bezeichnete es gestern als ein wichtiges Anliegen der Stadt Kirchheim, die „Anschlussmobilität“ an den ÖPNV herzustellen. Zwei langfristige Ziele der Kirchheimer Kommunalpolitik kommen nun mit der Fahrradstation zu einem ersten gemeinsamen Abschluss: Zum einen habe die Förderung des Radverkehrs in der Stadt schon seit den 80er-Jahren einen hohen Stellenwert. Zum anderen gebe es seit Mitte der 70er-Jahre – als der Bahnhof vom heutigen Teck-Center-Areal an den aktuellen Standort verlegt worden war – das Bestreben, „den Bahnhof wieder in die Innenstadt hineinzubringen“. Der Bahnhof sei ein wichtiges Einfallstor, durch das Besucher die Stadt betreten.

Für diese Besucher bietet die neue Fahrradstation jetzt unter anderem Informationsmaterial über Kirchheim und Umgebung. Außerdem soll sie für die Besucher – unabhängig, ob sie mit dem Radl da sind oder nicht – einmal Toiletten anbieten. Diese werden am Bahnhof schon lange schmerzlich vermisst. Die Bahn sehe sich dafür nicht zuständig, folglich übernehme die Stadt Kirchheim diese Aufgabe, sagte die Oberbürgermeisterin. Mit der Fertigstellung der Toiletten hapert es zwar noch. Aber spätestens im Dezember sollen sie kollektiv die Möglichkeit zur Erleichterung bieten.

Noch etwas länger dauert es, bis das erste Obergeschoss des Gebäudes Eugen-Gerstenmaier-Platz 3 seinen neuen Bestimmungen übergeben werden kann: Im Frühjahr, so stellte es Angelika Matt-Heidecker in Aussicht, sollen dort einerseits der Kinderschutzbund und andererseits die Familien-Bildungsstätte mit neuen Kursräumen einziehen.

Was hat das alles nun mit Fahrrädern zu tun? Die Fahrräder sind das Herzstück der Station im Erdgeschoss. Dort gibt es die Möglichkeit, Fahrräder zu leihen. Pendler können dazu ihre Fahrräder während der Zeit, in der sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, pflegen, warten und reparieren lassen. Für diese Arbeiten zuständig sind Mitarbeiter der Esslinger Beschäftigungs-Initiative. Die Initiative bringt Menschen auf dem zweiten Arbeitsmarkt in Beschäftigung. Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker sieht darin eine ideale Verknüpfung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln mit einer sozialen Komponente.

Wer mit dem eigenen Fahrrad zum Kirchheimer Bahnhof kommt und dieses gesichert abstellen möchte, kann das auf einem von derzeit rund 80 überdachten Stellplätzen tun. Allerdings ist der Begriff „derzeit“ noch näher zu definieren. Tatsächlich ist es nämlich so, dass gestern noch die notwendige Schiebetüre gefehlt hat, um den überdachten Raum auch abschließen zu können. Grundsätzlich aber soll dieser Platz täglich von 7 bis 19.30 Uhr bewacht sein.

Ein weiterer Bestandteil der Fahrradstation wiederum soll erst im Frühjahr dazukommen: der Pedelec-Verleih. Aus dem entsprechenden Programm der „Nachhaltig mobilen Region Stuttgart“ (Namoreg) ist die Stadt Kirchheim zwar wieder ausgestiegen, weil es nach Aussage von Angelika Matt-Heidecker „ein bisschen zu langsam geht“. Aber dafür will die Stadt einen eigenen Weg gehen und in einem halben Jahr – unterstützt von einheimischen Unternehmen – zehn bis 20 Pedelecs zur Ausleihe zur Verfügung stellen.

Bislang gibt es probeweise schon einmal zwei dieser E-Fahrräder, teilte Hans-Ulrich Rabeneick, stellvertretender EBI-Geschäftsführer, gestern mit. Beim Service und der Wartung für Fahrräder sieht er noch eine weitere soziale Komponente: Außer der Beschäftigungsmöglichkeit für acht bis neun seiner Mitarbeiter biete der Service auch Chancen für „Menschen mit wenig Geld, die sich keine Fahrradreparatur im Fachgeschäft leisten können“. Für diese Klientel ist unter anderem die „Aktion Kinderfahrrad“ gedacht, die Fahrradrecycling betreibt, um möglichst vielen Menschen den Zugang zu einem Fahrrad zu ermöglichen. – Nach Ludwigsburg befinde sich nun in Kirchheim die zweite Fahrradstation Baden-Württembergs, die vom ADFC Nordrhein-Westfalen lizenziert ist.

Die Investitionskosten für die Fahrradstation belaufen sich bis jetzt auf knapp 250 000 Euro. Davon entfallen rund 115 000 Euro auf die eigentliche Fahrradstation, rund 70 000 Euro auf die Toiletten und weitere 55 000 Euro auf den Umbau der Räumlichkeiten für Kinderschutzbund und Familien-Bildungsstätte. Zusätzlich fallen an laufenden Kosten jährlich etwa 60 000 Euro an – für Miete, Betriebskosten und Reinigung.