Ursula Hauser konnte mit „Hilfe für Guasmo“ einen „See aus vielen Tropfen“ entstehen lassen
„Mit den Augen der anderen sehen lernen“

Kirchheim. Was vor 25 Jahren mit einer eher zufällig stattgefundenen persönlichen Begegnung mit Menschen in den Slum-Gebieten der ecuadorianischen Provinz-Haupt-


stadt Guayaquil begann, hat bis zum heutigen Tag erstaunliche, erfreuliche und vor allem damals nie im Entferntesten erahnbare Folgen.

Auch wenn jetzt – nach immerhin einem Vierteljahrhundert ehrenamtlichen Engagements – die aktive Ära der nicht nur in Guayaquil, sondern auch in der Urwaldregion Napo im Amazonasgebiet legendären „Señora Ursula“ endet, ist die Zukunft des von ihr ins Leben gerufenen Herzensprojekts „Hilfe für Guasmo“ gesichert. Das ist ihr wichtigster Lohn.

Dass die unermüdliche Arbeit des Vereins im Rahmen dieses deutsch-ecuadorianischen Vorzeige-Projekts gleich zweifach ausgezeichnet wurde – mit dem Bundesverdienstkreuz am Band und der Verdienstmedaille des „Congresso nacional del Ecuador“ – ist die verdiente offizielle Anerkennung.

Bei aller berechtigter Freude über die damit verbundene Ehre weiß die pragmatische Ursula Hauser aber um die unverzichtbare Bedeutung von Wegbegleitern, Helfern, Unterstützern, Paten und „Sympathisanten“. Ganz besonders wichtig sind ihr die vielen Menschen, denen sie völlig zu Recht immer uneingeschränktes Vertrauen schenken und zugleich von ihnen immer Hilfe und Unterstützung erwarten konnte.

Wie berichtet, haben Ute Gast und Karin Grund die Nachfolge von Ursula Hauser als Vorsitzende des Vereins „Hilfe für Guasmo“ angetreten. Sie wissen genau, dass sie niemandem nacheifern müssen, sondern uneingeschränkt neue Spuren legen, sich aber auch jederzeit darauf verlassen können, bei Bedarf Rat bei der über ein großes Repertoire an Erfahrungen verfügenden „Señora Ursula“ einholen zu dürfen.

Bei einer eindrucksvollen Vor-Ort- Begegnung gemeinsam mit dem 2010 verstorbenen Kirchheimer Unternehmer Hans Graupner, der in Ecuador seinen Bedarf an Balsaholz für den Modellbau gedeckt hatte, nahm eine so nicht voraussehbare Erfolgsgeschichte ihren Anfang. Statt ein komfortables „Damenprogramm“ zu absolvieren und touristisch attraktive Stätten zu besuchen, wollte Ursula Hauser unbedingt das harte Leben in den Elendsvierteln kennenlernen.

Nachdem sie sich einen erschreckenden Überblick verschafft hatte über die Lage der am Rande der großen Städte oder fernab im Urwald lebenden Menschen, wurde sie von Hans Graupner mit einer großzügigen Geste vor eine schwerwiegende Entscheidung gestellt.

Um etwas gegen die augenfällige Not im Elendsviertel Guasmo zu tun, war er sofort bereit, die Summe von 100 000 Mark der von ihm angedachten „Ursula-Hauser-Stiftung“ zur Verfügung zu stellen. Der damit keineswegs unverbindlich umworbenen, sondern emotional bereits fest verpflichteten Treuhänderin wurde damit eine schwere Aufgabe anvertraut, die ein Vierteljahrhundert lang maßgeblich ihr weiteres Leben bestimmen sollte.

Immer wieder war sie auf eigene Kosten vor Ort. Von den Strapazen der Langstreckenflüge „erholte“ sie sich in ärmlichsten Unterkünften und ist ihrem Schutzengel aus gutem Grund dankbar dafür, dass ihr bei den für Europäer kaum vorstellbaren Strapazen und Gefahren des dortigen „öffentlichen Nahverkehrs“ nie etwas passiert ist.

Völlig überraschend mit einer so ungeheuren Aufgabe betraut, wusste Ursula Hauser, dass sie nicht nur sich, sondern auch allen künftigen Helfern klare Vorgaben machen muss, wenn die ihr angebotene Herausforderung ein Erfolg werden soll.

Dass Mitleid kein adäquates Mittel ist, um gegen die unvorstellbare Armut anzugehen, war Ursula Hauser sofort bewusst. Wer Almosen verteilt, verändert nichts zum Besseren – und hat zudem bald leere Taschen. Statt die Menschen zu Bittstellern zu degradieren und einer unwürdigen Abhängigkeit von milden Gaben zu überlassen, setzte Ursula Hauser konsequent auf die einzig Erfolg versprechende – wenn auch nicht garantierende Kraft der Hilfe zur Selbsthilfe.

„Mit den Augen der anderen sehen lernen“, lautete ihre konsequent verfolgte Vorgabe an sich selbst. Bei ihrem ersten Einsatz lebte sie daher auch unter denkbar schwierigen Rahmenbedingungen – aber ganz bewusst – mitten im Elendsviertel bei den Ordensschwestern. Sie lernte dabei, gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin, „fragend und schauend“ ein Gespür dafür zu entwickeln, wie die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, dass die Menschen ihre Kräfte mobilisieren, Eigenverantwortung übernehmen und dadurch ihre Würde und ihren Selbstwert neu entdecken können.

Nur wenn die im Elend lebenden Mädchen es schaffen, die einmalige Chance eines Ausbildungsplatzes zu nutzen, können sie anschließend auch Arbeit finden, ihre Familie ernähren und vielleicht aus dem Leben im Elend herauskommen.

Dass das nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann, war Ursula Hauser immer klar. Sie verstand es von Beginn an, allen Skeptikern ihrer Konzeption den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch wenn jeder einzelne hoffnungsvolle Versuch nur der sprichwörtliche „Tropfen auf einen heißen Stein“ sein konnte, war sie immer überzeugt: „Viele Tropfen ergeben einen See.“

Was mit einer einfachen und dennoch bahnbrechend wichtigen und richtigen Entscheidung für eine Schneiderinnenwerkstatt begonnen hatte, wurde konsequent fortgeführt. Ursula Hauser wurde dabei auch in ihrer Überzeugung bestätigt, dass die für viele einmalige Chance eines guten Bildungsangebots zugleich auch ein wichtiger Schritt in Richtung bewusster Geburtenkontrolle ist.

Mit der Erweiterung einer Kinderkrippe, mit vielfältig angebotenen Kursen vor Ort, mit kontinuierlichen Ausbauhilfen von Kindergarten, Primarschule und Krankenstation der „Madres Doroteas“ und der in Kirchheim verschärft ins Bewusstsein gerückten Bedeutung von Patenschaften, konnte über die Jahre viel erreicht werden.

Ziel eines sehr langen Weges war der Bau des „Centro ISE“, das 2010 fertiggestellt wurde. Die darin abgekürzten Begriffe „Instruir“ (unterrichten), „Saber“ (wissen) und „Educar“ (erziehen) wurden von dem Verein „Hilfe für Guasmo“ unter dem Motto „Wissen vermitteln, Entwicklung fördern und Armut überwinden“ nicht nur passend zusammengefasst, sondern auch vorbildlich umgesetzt.

Wie sich der aus vielen Tropfen entstehende sprichwörtliche See langsam aber doch kontinuierlich bildete, konnte im Lokalteil des Teckboten immer wieder in Berichten über das erfolgreiche Projekt und die zahlreichen Aktivitäten der vielen Mitglieder und Paten verfolgt werden.

Belegt wurde dadurch nicht zuletzt auch die Gültigkeit einer Aussage von Mutter Teresa, deren Zitat Ursula Hauser an das Ende ihres letzten Jahresberichts und der Bilanz ihres 25-jährigen ehrenamtlichen Engagements setzte: „Wir können keine großen Dinge vollbringen, nur kleine, aber die mit großer Liebe . . .“

 

Aktuelle Informationen über den Verein „Hilfe für Guasmo“ können im Internet abgerufen werden unter www.hilfe-fuer-guasmo.de. Bei der Landesbank Baden-Württemberg (Bankleitzahl 600 501 01) ist unter der Nummer 8 648 646 ein Spendenkonto eingerichtet.