Kreis Esslingen. Zwei Versuchskaninchen haben sich im hintersten Winkel der Atemschutzstrecke der Kirchheimer Feuerwehr versteckt. Das Winseln, Bellen und Tapsen von Dakota kommt näher. Wird die kanadische weiße Schäferhündin die
beiden im Halbdunkel finden? Klar doch, denn sie und ihr Hundeführer Axel Döring haben viel Erfahrung.
Die Atemschutzstrecke ist hundsgemein: Durch viele Gitter dringen zwar die menschlichen Gerüche in des Hundes feine Nase, diese Gitter versperren ihm jedoch zugleich den Weg. Hündin Dakota schafft es sogar, zwei Holztüren aufzustoßen. Aus Bad Mergentheim sind Döring und Dakota zur Landesübung 2012 der Rettungshundebereitschaften gekommen, genauso wie rund 60 andere Hundeführer mit ihren Hunden aus dem ganzen Land. 20 „Übungsschadensgebiete“ hat der Kreisverband Nürtingen-Kirchheim des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) vorbereitet, vom ehemaligen Munitionsdepot im Tiefenbachtal über das Kirchheimer Hallenbad bis zur Gustav-Jakob-Höhle bei Grabenstetten. Rund 50 weitere Helfer beteiligten sich an den Übungen der elf Rettungshundebereitschaften, nochmals mindestens genauso viele Leute an der Logistik. Alle waren ehrenamtlich dabei.
Wer 24 Stunden lang üben will, muss zwischendurch auch einmal schlafen. Deshalb hatte das DRK nahe der Einsatzleitung in der Eduard-Mörike-Schule in Kirchheim-Ötlingen ein Zeltlager aufgebaut. Als am Freitagabend Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker als Schirmherrin die Landesübung offiziell eröffnete, wurden drei der elf Gruppen direkt von der Feier in den Einsatz gerufen, zwei nach Freudenstadt und eine nach Isny. Auf die Rettungshundebereitschaften warten bis zu 100 Einsätze im Jahr, ob Wassersuche, Flächensuche oder die Spurensuche, die als „Königsklasse“ des Einsatzes gilt. Nur die Lawinensuche konnte – verständlicherweise – bei der Landesübung 2012 nicht geübt werden.
Über ein Gitter laufen, durch das man nach unten sehen kann? Auf ein schwankendes Boot steigen? Oder sich über 30 Meter tief der Felswand entlang abseilen lassen? Das ist nichts, was ein Hund begeistert oder zumindest bereitwillig tut. Entscheidend ist deshalb sein Verhältnis zum Hundeführer, bei dem der Rettungshund als Familienhund lebt. „Der Hund vertraut blind seinem Herrchen“, sagte Kreisbereitschaftsleiter Andreas Schober. „Die beiden sind ein eingeschworenes Team.“
Aus Naturschutzgründen blieb den Rettungshundebereitschaften am Albtrauf zum Üben nur die Ruine Reußenstein. Die Abseilaktion an der senkrechten Felswand wurde von der Bergwacht Lenninger Tal überwacht. Auf dem Esslinger Neckarkanal, beim Jachtclub Esslingen und auf dem Schäferhäuser See bei Wendlingen arbeite das DRK mit der DLRG zusammen.
Am Reußenstein kam ein landesweit bislang einzigartiges Zweibeinrettungsgerät zum Einsatz. Es schafft einen Abstand zwischen Seil und Felskante. Mit Hilfe dieser Neuanschaffung gelangten auch Katrin Walter und ihr Labrador-Mischling Rocky über die Felskante. Rocky hatte schon zuvor vier Abseilaktionen hinter sich, allerdings im Verlauf von fünf Jahren. „Er war ruhig“, sagte Walter nach der Übung. „Für einen Hund ist die Überwindung von der Kante in die Tiefe am schwierigsten, aber die Hunde haben Vertrauen zu uns.“ Rockys Nachfolger behalf sich auf seine Weise: Er schloss einfach die Augen.
Am Samstagfrüh gab es schon ab 5.30 Uhr Frühstück, um sieben Uhr begann die Einweisung in die 24-Stunden-Übung. Von drei Funkplätzen aus wurden die Gruppen zum jeweils nächsten Schadensgebiet dirigiert. „Die eine Gruppe wird 16 oder 17 Schadensgebiete bearbeiten, die andere zehn oder elf, wir haben keinen Wettbewerb“, sagte Gesamtübungsleiter Martin Schatzinger. „Die Übung ist eine Chance, das Zusammenspiel der verschiedenen Module zu testen“, sagte der stellvertretende Abteilungsleiter Roland Rath. Der größte Schatz seien die Ehrenamtlichen: „Wir haben für fast jede Fachaufgabe einen Spezialisten.“ Rath sprach von „einem Freizeitspaß der komischen Art“.
Trotz aller guten Planung kann einmal etwas schiefgehen. So warteten die Bergwacht Pfullingen und die Presse im Altbacher Kraftwerk einige Zeit vergeblich auf die 70-Meter-Abseilaktion im Innern des Kesselhauses. Die Hunde hatten sich verspätet und waren noch bei Schlierbach unterwegs. Also ging die Pressetour weiter nach Esslingen. Dort fuhren Hundeführer aus Reutlingen und Stuttgart mit dem Schlauchboot über den Neckarkanal, um bei der Agnesbrücke in einen Abwasserkanal zu gelangen. Dieser war dunkel und extrem rutschig, der unangenehme Geruch wird den Hundepfoten noch einige Zeit erhalten bleiben. Doch was bedeutet das schon, wenn es um eine Übung zur Rettung von Menschenleben geht.
Zurück in die Atemschutzstrecke. Das Bellen wird lauter, macht ein wenig Angst, auch wenn Rettungshunde frei von Aggressionen sind. Noch ein paar Treppen hinunter, dann ist Dakota bei den Versuchskaninchen angekommen und bekommt ihr Leckerli. Trotz aller Herausforderungen: Für sie und die anderen Meisterschnüffler war die ganze Übung ein großes Spiel.