Stephan Schirrmann 
aus Kirchheim nahm 
mit einem Kumpel am
„Rickshaw Run 2012“ teil
Mit der 
Rikscha 
quer durch Indien

Rikscha - Rallye - Stephan Schirmann
Rikscha - Rallye - Stephan Schirmann
Kirchheim. Stephan Schirrmann aus Kirchheim war noch nie der Typ für ausgedehnte Strandurlaube. Die schönsten Wochen des Jahres müssen für den 37-Jährigen mit Action verbunden sein. Nur auf der faulen Haut zu liegen, ist nicht sein Ding. Der Kirchheimer hat schon viele Länder dieser Erde bereist. Indien allerdings hatte bislang nicht dazugehört. Doch das änderte sich vor einigen Wochen, als er beschloss, zusammen mit seinem Kumpel und Ex-Kommilitonen Jan Dibazar aus München nach Indien zu fliegen und dort am „Rickshaw Run 2012“ teilzunehmen. Bei dieser Rallye legten die beiden mit einer 7,5 PS starken Autorikscha in zwei Wochen 3 000 Kilometer quer durch Indien zurück – und erlebten dabei ein unvergessliches Abenteuer.

Mit der
Rikscha
quer durch Indien
Mit der
Rikscha
quer durch Indien
Die Reise begann im September, als die beiden Männer in Shillong im Nordosten des Landes auf die zahlreichen anderen Teilnehmer der Rallye aus aller Welt trafen. Nach einer großen Kennenlernparty konnten die Teilnehmer die Rikschas, die sie vom Veranstalter „The Adventurist“ mit Sitz in England vor Ort gestellt bekamen, mit allerlei Materialien gestalten. Stephan Schirrmann und Jan Dibazar entschieden sich dafür, aus ihrem Gefährt einen auffälligen „Zefanten“ zu zaubern, also einen Elefanten im Zebra-Look mit Rüssel und großen Ohren. Dazu verwendeten sie Klebefolie, Schaumstoff und Tücher mit Zebramuster. Am ersten und letzten Tag der Rallye setzten die beiden Ingenieure noch eins drauf und schlüpften in schwarz-weiß gestreifte Neandertaler-Kostüme.

Mit der
Rikscha
quer durch Indien
Mit der
Rikscha
quer durch Indien
Mit diesem Outfit und ihrem „Zefanten“ waren sie der Blickfang schlechthin. Überall empfingen die Einwohner der Dörfer und Städte, an denen die Rallye vorbeiführte, die beiden Männer mit großem Hallo. Zahlreiche Einheimische fotografierten die außergewöhnliche „Erscheinung“, unterhielten sich mit den Reisenden in ihrem teilweise bescheidenen Englisch und tauschten sogar die Handynummern mit ihnen aus. Stephan Schirrmann und Jan Dibazar durften ein Bad in der Menge nehmen, wo immer sie mit ihrer auffälligen Rikscha anhielten. Für den großen Aufwand, den die beiden betrieben hatten, wurden sie vom Veranstalter mit Preisen ausgezeichnet: So erhielten sie den Preis für das beste Kostüm und den Hauptpreis, zwei goldene Kamele, für „das best-gepimpteste Tuktuk beim Rickshaw Run 2012“.

Rikscha - Rallye - Stephan Schirmann
Rikscha - Rallye - Stephan Schirmann
Die jährlich stattfindende Rallye, die quer durch den Norden Indiens führte, startete in Shillong im Bundesstaat Meghalaya. Das Ziel befand sich im westlich gelegenen Ort Jaisalmer (Bundesstaat Rajasthan) nahe der pakistanischen Grenze. Sinn und Zweck der Rallye ist nicht, möglichst schnell am Zielort anzukommen. Wäre dem so, dann hätten Stephan Schirrmann und Jan Dibazar schlechte Karten gehabt: Schließlich fuhren sie als 62. von 68 Teams durch die Zielgerade. Bei der Rallye ging es vielmehr darum, möglichst viele Spenden für zwei gemeinnützige Projekte zu sammeln: für die Bereitstellung von Wasseraufbereitungsanlagen in strukturschwachen Teilen Indiens und für ein Frauenhaus in Varanasi. Letzteres bietet Frauen, die unter häuslicher Gewalt oder anderen Formen der Belästigung aufgrund ihrer Kastenzugehörigkeit leiden, Hilfe und Schutz. Für beide Projekte haben Stephan Schirrmann und sein 40-jähriger Kumpel insgesamt 5 000 Euro übergeben. Die Spenden erhielten sie schon vor der Rallye von drei Firmen aus München und von Bekannten. „Ein bisschen was haben wir aber auch unterwegs gesammelt“, erzählt Stephan Schirrmann.

Rikscha - Rallye - Stephan Schirmann Das Bild ist vor dem "Savitri Bai Phule"-Frauenzentrum in Varanasi aufgenommen worden. Es
Rikscha - Rallye - Stephan Schirmann Das Bild ist vor dem "Savitri Bai Phule"-Frauenzentrum in Varanasi aufgenommen worden. Es ist nach der Sozialreformerin Savitri Bai Phule (siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Savitribai_Phule) benannt worden.Sie war der erste weibliche Lehrer an Indiens erster Schule für Mädchen und eröffnete im Jahr 1852 zudem eine Schule für Mädchen aus der Schicht der sog. Kastenlosen (Dalit) in Indien.
Apropos unterwegs: Die 3 000 Kilometer lange Tour hatte es gewaltig in sich. Vor allem die von tiefen Schlaglöchern durchzogenen Straßen machten die Fahrt mit der Rikscha, die für eine solche Strecke überhaupt nicht ausgerichtet war, nicht gerade einfach. „Immer wieder tauchten die Schlaglöcher auf. Wir mussten höllisch aufpassen“, erzählt Stephan Schirrmann. Zu umfahren galt es auch die unzähligen Kühe, die sich mitten auf der Fahrbahn aufhielten. „Wenn man mit einer Kuh zusammenstößt, kann man in Indien ins Gefängnis kommen. Denn Kühe sind dort heilig“, weiß der 37-Jährige. Erschwerend kam hinzu, dass die Straßen zum Teil nicht geteert waren, Staub und Dreck waren die ständigen Begleiter der beiden Freunde.

Stephan Schirrmann und Jan Dibazar waren auf ihrer Reise immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt – vor allem, was die vielen Pannen mit der Rikscha anbelangte. Improvisieren war daher an der Tagesordnung. Zum Glück aber hatten die beiden Werkzeug im Gepäck und es gab an jeder Ecke Mechaniker – oder zumindest Menschen, die sich als solche ausgaben. „Die wenigsten hatten eine Ausbildung, und bei manchen war es nach der Reparatur sogar schlimmer als vorher“, erinnert sich Stephan Schirrmann schmunzelnd. Die beiden Abenteurer kämpften zum Beispiel mit Problemen an der Kupplung, kaputten Bremsen, einem Kabelbrand und nicht mehr funktionierenden Scheibenwischern. Schlaglöcher und „Speed bumper“, tückische Erhöhungen auf den schlechten Straßen, erforderten immer wieder Schweißarbeiten – vor allem am Gepäckträger auf dem Dach der Rikscha. Auch die Hupe gab irgendwann ihren Geist auf, was vor allem die Fahrten bei Dunkelheit anstrengend und gefährlich gestaltete. Denn die Rikscha war nur mit schlechtem Licht ausgestattet, weshalb die beiden Männer die anderen Verkehrsteilnehmer nur mit der Hupe auf sich und ihr kleines Gefährt aufmerksam machen konnten.

Geschwächt wurde Stephan Schirrmann dann auch noch von Durchfall, der nach dem Essen in einem der Restaurants aufgetreten war. „Aber es war nicht schlimm“, winkt der Kirchheimer ab, der Durchfalltabletten im Reisegepäck hatte. Ansonsten ist der 37-Jährige aber voll des Lobes über die indische Küche. „Es ist ganz einfach, dort Vegetarier zu sein“, erzählt er. Sogar bei Mc Donalds habe es nur vegetarisches Essen gegeben.

Im Schnitt waren die beiden Männer 15 Stunden am Tag mit der Rikscha unterwegs. Zu Beginn ihrer Reise legten sie am Tag nur 130 Kilometer zurück. „Dann mussten wir aufholen, damit wir es rechtzeitig zum Ziel schaffen“, erzählt Stephan Schirrmann. Und so fuhren sie einmal sogar eine ganze Nacht durch – mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern. Ansonsten verbrachten sie die Nächte in Hotels, die teilweise alles andere als komfortabel waren. Doch Stephan Schirrmann und Jan Dibazar waren bescheiden. Das Wichtigste sei eine Dusche gewesen, um sich vom Staub und Dreck zu befreien, erzählt Stephan Schirrmann.

Unvergesslich bleiben für ihn vor allem die vielen Begegnungen mit den Einheimischen. Ein Problem mit körperlicher Nähe dürfe man in Indien nicht haben, betont er. Denn überall werde man sofort umarmt und herzlich begrüßt. In Erinnerung bleiben dem Kirchheimer dabei zum Beispiel die kleinen bunten Zeltstädte am Straßenrand mit vielen freundlichen Menschen, bei denen es sich um „Feste der indischen Gottheit“ handelte – oder auch das Zusammentreffen mit indischen Motorradfahrern in einer Bushaltestelle. Heftiger Regen, der die beiden Freunde auf ihrer Tour des Öfteren begleitete, zwang sie zum Anhalten. Und so suchten sie, ebenso wie die Motorradfahrer, in der Bushaltestelle Unterschlupf. Die Inder nutzten diese Situation für eine kleine Party: Zu den verzerrten Klängen aus dem Handy eines Motorradfahrers wurde ausgelassen getanzt.

Doch es gab auch weniger schöne Erlebnisse – zum Beispiel den langen Stau, in den die Rikscha-Fahrer in strömendem Regen gerieten. Auf einer überschwemmten Straße waren sie von unzähligen Autos und Lkw umgeben, die „keinen Quadratmillimeter“ Platz zueinander ließen. Ein Mal hatten Stephan Schirrmann und Jan Dibazar nicht schnell genug aufgeschlossen. Daraufhin kam sofort ein Polizist mit einem Schlagstock angerannt, brüllte sie an und schlug mit dem Stock auf die Rikscha ein. „Da bekommt man es schon mit der Angst zu tun“, erzählt Stephan Schirrmann.

Dennoch haben für ihn die schönen Momente während der Rallye überwogen, die Erfahrung sei „einfach toll“ gewesen. Denn Indien sei ein „wunderschönes Land mit sehr offenen, hilfsbereiten Menschen“.

Sicher ist für den Kirchheimer deshalb, dass Indien „auf jeden Fall“ irgendwann wieder sein Reiseziel sein wird. Das Problem sei nur, dass ihm ein „normaler“ Urlaub nach all den Erlebnissen während der Rallye mittlerweile zu langweilig erscheinen könnte. „Das zu toppen, wird verdammt schwierig.“