Kirchheim. Udo Irschik setzt seine Hoffnung auf das Jahr 2020: „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Olympischen Sommerspiele 2020 nach Doha vergeben werden, in die Hauptstadt von Katar. Und dann braucht es dort auch Sportarten, mit denen die Menschen in der Region etwas anfangen können.“ Überhaupt ist Udo Irschik, der dem Pferdereitsport seit vielen Jahren eng verbunden ist, der Meinung, dass der Nahe Osten im Sport unterrepräsentiert ist: „Die dürfen jetzt Formel-1-Rennen austragen oder die Fußball-WM 2022, das ist sicher ein richtiger Schritt. Aber sie müssen sich auch mit einer Sportart richtig identifizieren können. Und dafür habe ich jetzt die Lösung entwickelt: Kamelreiten. Alle anderen olympischen Sportarten zeugen doch nur von westlichem Kulturchauvinismus, denn bis auf ein paar wenige fernöstliche Kampfsportarten entstammen sie alle dem europäisch-nordamerikanischen Kulturkreis.“
Für das Kamelreiten hat sich Udo Irschik bereits einiges einfallen lassen: „Zunächst einmal wollen wir die gleichen Rechte wie die Pferdesportler, das heißt also Springreiten, Dressur und Vielseitigkeit.“ In zweiter Linie gehe es dann darum, diese Disziplinen in einer Einzel- und einer Doppelwertung auszutragen. Udo Irschik: „Das liegt ja auf der Hand, wo uns die Natur den Weg doch schon vorgezeichnet hat. Für die Einzelwettkämpfe gibt es die einhöckrigen Dromedare und für die Doppel die zweihöckrigen Trampeltiere.“
Davon abgesehen, denkt Udo Irschik aber auch an gänzlich neue Disziplinen, die nur mit Kamelen möglich sind – zum Beispiel ein Distanzreiten über 333 Kilometer auf einer Formel-1-Rennstrecke, „mit Boxenstopp zum Nachsaufen“. Und selbst das beliebte Partyspiel „Die Reise nach Jerusalem“ hat ihn inspiriert: „Man kann auf durstigen Kamelen aus der Marathon-Distanz von 42,195 Kilometern auf eine Oase zureiten, wo es ein Wasserloch weniger gibt, als Kamele am Start sind. Wer kein Wasser findet, scheidet aus. Das geht so lange, bis der Sieger feststeht.“
Udo Irschik hofft auf eine Zusage des IOC, seine neuen Ideen bereits 2012 in London als Demonstrationssportart vorführen zu dürfen. Dabei hat er mit seinen Kontakten zu olympischen Gremien bereits ganz am Anfang einen herben Rückschlag erleiden müssen: „Ich bin eigentlich nur nach Schleswig-Holstein gezogen, weil ich näher beim NOK sein wollte. Erst als ich da war, musste ich zu meiner großen Enttäuschung feststellen, dass man hier oben unter dem NOK gar nicht das Nationale Olympische Komitee versteht, sondern den Nord-Ostsee-Kanal.“
Mittlerweile aber hat der wackere Ex-Dettinger aus der Not eine Tugend gemacht: „Gleich bei uns in der Nähe spannt sich über den Kanal eine hohe Eisenbahnbrücke. Unterhalb der Brücke sind die Kanalufer durch eine Schwebefähre miteinander verbunden. Auf dieser Fähre gewöhne ich meine Kamele an das Gefühl, das sie im Flugzeug haben, wenn wir sie erst einmal von Wettkampf zu Wettkampf und von einem Kontinent zum andern befördern müssen.“
Immerhin sind die Olympischen Spiele für 2016 an Rio de Janeiro vergeben worden, was einen Transatlantikflug für die Turnierkamele mit sich bringen würde. Aber gerade mit Brasilien verbindet Udo Irschik eine besonders große Hoffnung: dass es ihm gelingen könnte, die Altweltkamele mit den Neuweltkamelen unter einen Hut zu bringen und die beiden zerstrittenen Weltverbände zu vereinen – einerseits die „Camel Riding International Organization“ (CRIO) und andererseits die „Lama Equestrian Racing Organization“ (LERO).
Wenn Udo Irschik den Kamelreitsport immer wieder mit der Formel 1 vergleicht, dann hat auch das Methode. Wie die Automobilindustrie die Rennen zur Werbung und zur Entwicklung nutzt, um ihre Produkte besser vermarkten zu können, so möchte auch Kamelzüchter Irschik über den Sport hinaus seine Tiere wirtschaftlich nutzen: „Es werden auf unseren Straßen genügend Waren transportiert, die man ohne Weiteres auch mit einer Kamelkarawane verschicken könnte. Das hätte eine Vielzahl von Vorteilen.“ So gehe bekanntlich der Vorrat an fossilen Treibstoffen zu Ende. Kamele aber kommen ohne Treibstoff aus und produzieren außerdem noch hochwertigen Mist, den man einerseits als Dämmmaterial verwenden kann und andererseits als Brennmaterial zum Heizen.
Zusätzlich sieht Udo Irschik in Kamelkarawanen ein immenses Beschäftigungsprogramm: „Was uns in Deutschland fehlt, das sind die einfacheren Jobs, für die man keine höhere Schulbildung benötigt. Eine einzige Karawane bietet bereits an die 20 Arbeitsplätze. Und nur der Anführer muss über betriebswirtschaftliche Kenntnisse verfügen. Ideal wäre dazu noch ein Aufbaustudium in Karawanserei oder Kamelistik.“
Karawanenpfade möchte Udo Irschik gerne entlang der Autobahnen etablieren. Und deshalb hat der frühere Dettinger auch die Landtagswahlen in seiner langjährigen Heimat Baden-Württemberg genau verfolgt. Für ihn ergeben sich daraus nur Pluspunkte. „Der Tunnelaushub bei Kirchheim lässt sich problemlos von Kamelkarawanen entfernen“, präsentiert Udo Irschik die Lösung für ein drängendes Problem. Und wenn Stuttgart 21 durch die neue Regierung gestoppt wird und gar keine Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm entsteht? „Umso besser“, freut sich Udo Irschik auf diese Aussichten. „Die Grundstückskäufe sind ja bereits getätigt. Und was macht die Bahn dann mit dem für sie wertlosen Areal entlang der Autobahn? Ich könnte mir vorstellen, dass ich das günstig pachten kann, um von Wendlingen bis Ulm die erste Teststrecke für meine neuen Saum- und Treidelpfade parallel zur Autobahn einzurichten.“