Kirchheim Der im Dezember 2011 verstorbene James Rizzi zählt zu den populärsten zeitgenössischen Pop-Art-Künstlern der Welt und gilt zudem als Wegbereiter der 3D-Technik. Im ersten und zweiten Ober-
geschoss der Volksbank sind seine von eindrucksvollem künstlerischem Einfallsreichtum und großem handwerklichem Fleiß geprägten filigranen Arbeiten zu bewundern – und auch käuflich zu erwerben. Erstaunlich ist, dass „ein echter Rizzi“ tatsächlich noch immer ganz spontan gekauft werden kann und nicht erst noch eine Bank mit entsprechenden Finanzierungsangeboten dafür „den Weg frei“ machen muss.
Wolfgang Mauch, Vorstandsmitglied der Volksbank Kirchheim - Nürtingen konnte bei der Eröffnung der kunterbunten Ausstellung viele interessierte Besucher willkommen heißen. Den Sprung von „Old Europe“ in die Neue Welt und die zu Rizzis Anfangszeiten wirklich noch bahnbrechende Buntheit und künstlerische Moderne in 3D, unterstützte das Saxofon-Ensemble der Musikschule unter der Leitung von Eberhard Schmid. Als Auftakt hatte sich die „Blues Mafia“ für den Steppenwolf-Titel „Born to be Wild“ entschieden.
Dass der Künstler in Deutschland wohl schon immer bekannter und beliebter war als in den Vereinigten Staaten, betonte Kunsthistorikerin Barbara Honecker, die kenntnisreich in die vielseitige Arbeit dieses Künstlers einführte, zu dem sie einen ganz persönlichen Bezug hat.
In ihrer Familie sei es ein lieb gewonnener Brauch, im September den umbrisch-provenzalischen Markt in Tübingen zu besuchen. Die dort zur Verkostung verkauften Gläser trugen bis 2011 immer von James Rizzi jeweils neu ausgewählte Motive. Neben ihrer jetzt noch mehr „wie ein Schatz“ gehüteten Gläsersammlung erinnert Barbara Honecker nun auch eine von Brigitte Kuder-Bross von der Galerie „Die Treppe“ in Reudern zusammengestellte Ausstellung mit Lithografien an den arbeitsamen Künstler, der die strenge Trennung der Gattungen Malerei, Skulptur und Grafik nie akzeptiert hatte.
Wie die Kunsthistorikerin Barbara Honecker ausführte, hatte James Rizzi einst gewettet, dass er in allen drei Prüfungsfächern mit der gleichen Arbeit eine gute Note erzielen werde. „Er malte dafür eine Radierung zum Thema Großstadt, schnitt sie zurecht und montierte Teile daraus mit Draht auf ein zweites Blatt derselben Radierung. Rizzis Abschlussarbeit und die direkt an sein Studium sich anschließende Teilnahme an einer wichtigen Gruppenausstellung in New York, waren das Sprungbrett einer sich rasant entwickelnden Karriere.
James Rizzi liebte den Big Apple unter anderem auch als die Heimat der amerikanischen Pop-Art, die zu Beginn der 60er-Jahre zum Gegenpol der abstrakten Kunst der Nachkriegszeit wurde. Im Vordergrund stand für Barbara Honecker dabei immer „die schöne Welt des Seins und Scheins, der ‚American Way of Life‘, die glitzernde Warenwelt, die Konsumgesellschaft und die Werbewelt, die sich Künstler wie etwa Andy Warhol und Roy Lichtenstein zum Thema machten.“
Rizzis Art zu malen war immer untrennbar mit dem Erleben seiner Heimatstadt verbunden, die er als Taxifahrer bis in die verborgensten Ecken „erfuhr“ und dabei auch vielen „Graffitis“ begegnete, die eine wichtige Inspirationsquelle seiner Kunst werden sollten. Klar definierte dicke schwarze Umrisslinien, wie sie auch bei Keith Haring oder Michel Basquiat zu finden sind, spielen auch bei ihm eine wichtige Rolle. Schon 1975 hatte Rizzi eine 45 Meter lange Hauswand mit seiner Sprayerkunst gestaltet.
Der Sohn einer irischen Mutter und eines italienischen Vaters liebte die für ihn nie abschreckende oder gar Angst machende Großstadt. Sie war der immer positiv besetzte Hort der Geborgenheit inmitten seiner Großfamilie. Der Moloch Stadt war für ihn nie bedrohlich, sondern immer „anregend aufregend“ und inspirierte ihn immer wieder zu neuen filigranen Fleißarbeiten, die Barbara Honecker ganz nahe bei den sogenannten „Wimmelbildern“ verortet, die beim langen und intensiven Betrachten und konzentrierten Suchen stets neue überraschende Details entdecken lassen.
Nur während seiner Studienzeit in Florida hatte James Rizzi seiner geliebten Stadt für vier Jahre den Rücken gekehrt, um den Rest seines Lebens dann wieder in einem Loft in Soho zu leben und zu arbeiten. Neben der Stadt als Lebensraum spielt auch der Sport eine große Rolle bei der auf James Rizzis grafisches Schaffen konzentrierten Ausstellung mit Steindrucken in der für ihn charakteristischen 3D-Technik.
IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch hatte einst großen Gefallen an der Pop-Art von James Rizzi gefunden, der 1998 offizieller Künstler der Olympischen Spiele in den USA und der Winterspiele in Japan war. Er nutzte seine immer größer werdende Popularität, um sich für benachteiligte Gruppen einzusetzen, ohne viel Aufhebens davon zu machen. Er war nie elitärer Star, sondern immer auch bereit, Neues auszuprobieren und sich mit Dingen zu befassen, die nicht unbedingt „dem hehren Ideal darstellender Künste“ zugerechnet werden.
Er gestaltete Plattencover und für Henry Maske einen Box-Mantel, der 1993 für einen guten Zweck versteigert wurde. 1994 begann eine lange Zusammenarbeit mit der Firma Rosenthal, für die er Vasen, Aschenbecher und ganze Service entwarf. Die Fluggesellschaft Condor hatte mit dem von ihm gestalteten „Rizzi Bird“ einen ganz besonders die Aufmerksamkeit auf sich ziehenden „Vogel“ am Start.
Während ein Vogel James Rizzis Markenzeichen blieb, wurde der riesige „Rizzi Bird“ wieder übermalt, da die Passagiere angeblich beim Einsteigen das Kunstwerk so lange auf sich wirken ließen, dass es immer wieder zu massiven Verspätungen kam . . .
Wichtige Vorbilder für James Rizzi waren vor allem Pablo Picasso und die akribisch genau gemalten Bilder Paul Klees, der ihm auch mit der „lyrischen Farbigkeit seiner Aquarelle“ wichtige Anregungen gab. Wie Picasso, der als erster Künstler Alte Meister in die klassische Moderne des 20. Jahrhunderts übertragen hatte, beschäftigte sich auch Rizzi mit der spezifischen Handschrift von Künstlern wie Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer.
Bei ihrem Rundgang durch die Kirchheimer Ausstellung hatten die Besucher der Vernissage dann Gelegenheit, sich über viele bunte und fröhliche „Wimmelbilder“ zu freuen, aber auch Rizzis modernisierenden Umgang mit „Alten Meistern in 3D“ zu bewundern. Drei ganz besonders bekannte Beispiele hatte Barbara Honecker explizit genannt: das berühmte Plakat der Tänzerin Jane Avril von Henri de Toulouse Lautrec, eine der vielen auf Tahiti entstandenen Arbeiten von Paul Gauguin und schließlich George Seurats „Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Chatte“.