Klopp macht Schule: Immer mehr Männer helfen dem Schopf auf die Sprünge
Mit Kajalstift im Tuning-Fieber

Des Kanzlers angeblich getönte Schläfen waren 2002 noch ein Fall fürs Gericht. Gut zehn Jahre später lässt sich ein populärer Fußballtrainer seinen Schopf verdichten - und spricht offen darüber. Tatsache ist: Viele Kerle helfen dem Haupthaar seit Jahren mit Farbe und Tricks auf die Sprünge, und ganz langsam wird das Thema auch fernab der Großstädte salonfähig.

Kirchheim. „Wer sich die Haare färbt, frisiert auch Statistiken“, lautete ein beliebter Satz aus den Reihen der politischen Gegner, als vor einem Jahrzehnt Kanzler Gerhard Schröders Haar auffallend farbintensiv wirkte. „Quatsch“, lacht Tanja Secker. Sie ist Mitglied im Prüfungsausschuss der hiesigen Friseurinnung und betreibt in Ötlingen den Salon „haargenau“. „Männer sind längst nicht mehr mit Schneiden zufrieden“, sagt sie aus jahrelanger Erfahrung, „im Gegenteil: Sie sind sehr offen für Farbgestaltung.“

Der Begriff „Farbgestaltung“ bedeutet in den meisten Fällen schlicht und ergreifend, dass graue Haare abgedeckt werden. „Die Männer färben oder tönen aber nicht, sie ‚tunen‘ ihr Haar“, nennt Tanja Secker einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Während früher solch ein Tuning mit einer Diskretion behandelt werden musste, die der Schweigepflicht beim Arzt gleichkam, sei der Umgang mit der Thematik heute jedoch lockerer geworden.

„Sanfte Grauabdeckungen werden überwiegend diskret behandelt“, bringt es Mike Hoffmann vom Salon „bel etage“ und Europameister sowie Deutscher Meister seines Fachs auf den Punkt. Selbst die Ehefrauen kriegen oft keineswegs auf Anhieb mit, dass beim Friseurbesuch plötzlich Tönungen im Spiel sind. Haarausfall ist das zweite große Thema bei den Herren der Schöpfung: „Viele Kunden sind sehr dankbar, wenn man ihnen Tipps gibt“, meint Mike Hoffmann. Jürgen Klopp dürfte allerdings kaum Mitstreiter haben: Haarverpflanzungen sind hierzulande (noch) die absolute Ausnahme, wie die Haarkünstler in der Region betonen.

Wer weiß, vielleicht ändert sich das, denn die großen Fußballidole dienen oft als Vorbild für die Wunschfrisuren. Ganze Scharen folgten einst Rudi Völler, dem sein damals unüblicher lockiger „Vokuhila“-Schnitt den Spitznamen „Tante Käthe“ einbrachte. In den hiesigen Friseursalons zeigt manch einer ein aktuelles Foto von Beckham oder Schweini vor, ehe er sich den Friseurumhang umlegen lässt. Vor allem die Pony-Tolle mit kontrastreichen kurz geschorenen Seiten à la Reus ist der Renner unter der jungen Kundschaft. Angeblich wird‘s jetzt erstmal lässiger: „In der neuen Saison sind die Rebellen angesagt, die geordnete Unordnung“, sagt Tanja Secker für die Männerschöpfe voraus.

Dass Haarausfall Männern zu schaffen macht, hat auch die Visagistin Karin Kuhn aus Notzingen im Laufe ihrer über zwei Jahrzehnte währenden Tätigkeit als Farb- und Typberaterin festgestellt. Sie glaubt, dass viele Jürgen Klopp bewundern: „Die Männer hätten gern mehr Haar, aber vor einem Eingriff, der noch dazu Schmerzen verursacht, schrecken sie zurück“, lautet ihre Theorie. Allerdings seien Männer in der Vergangenheit durchaus eitler geworden – im durchaus positiven Sinne. Das heißt zwar nicht, dass sie haufenweise in Farbberatungskursen anzutreffen sind, aber einzelne Tipps nehmen sie gern auf. Dabei sei es keineswegs so, dass sich Männer unsicherer seien in Sachen Farbwahl. Im Gegenteil. Karin Kuhn hat eine plausible Erklärung: „Männer lassen sich weniger durch Mode beeinflussen. Wenn sie mal ihren Stil gefunden haben, dann bleiben sie dabei.“

Mag sein, dass sich das in Zukunft wandelt. Junge Männer setzen gern auf kosmetische Kniffe, wie die Visagistin berichtet: „Wenn junge Männer ausgehen, schminken sie sich gern mal mit Kajal oder decken Hautrötungen mit Puder ab.“ – Was dazu wohl Jürgen Klopp sagen würde?