Neuen Baugrund innerorts auszuweisen, statt im Außenbereich neue Bauplätze abzustecken, lautet das Gebot der Stunde. Damit wollen Landesregierung und Kommunen dem immer noch um sich greifenden enormen Landschaftsverbrauch Einhalt gebieten. Dieser Aufgabe hat sich auch die Gemeinde Bissingen angenommen – mit Erfolg.
Bissingen. Gleich in seiner ersten, der konstituierenden Sitzung, brachte der neue Gemeinderat den Bebauungsplan „Hintere Straße“ auf den Weg. „Nachhaltigen Wohnraum im Innenbereich“ zu schaffen, dies hatte Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf neben einer zukunftsweisenden Perspektive für das Gewerbe und den Erhalt der örtlichen Infrastruktur als Topthema der kommenden fünf Jahre genannt.
Bereits seit Ende 2011 beschäftigen sich Verwaltung und Gemeinderat mit dem Bereich „Hintere Straße“. Dort konnte die Gemeinde neben dem Gebäude der ehemaligen Ortsbücherei 2012 ein weiteres Haus erwerben. Nach dem Abbruch der beiden Häuser wurde sichtbar, welches Potenzial an Baugrund von der Hinteren Straße aus erschlossen werden könnte. Die Verwaltung verhandelte daraufhin mit den Eigentümern der Flächen, die derzeit als Garten- und Grünland genutzt werden.
Wie der Bürgermeister sagte, wurden sich beide Parteien grundsätzlich einig, „und zwar so weit, dass wir heute nicht nur den Bebauungsplan aufstellen, sondern auch gleich beschließen können“.
Zu Beginn der Planungen stand die Frage „Was ist das richtige Maß für eine Bebauung in zweiter Reihe?“, so Marcel Musolf. Dabei spielte der örtliche Bezug eine Rolle, es sollte aber auch Raum für Neues entstehen. Die Wohn- und Gebäudeformen sollen gewisse Markttendenzen widerspiegeln. Der städtebauliche Entwurf des Bebauungsplans, den Kerstin Hinz vom Kirchheimer Büro Geoteck dem Gemeinderat vorstellte, versucht alle diese Überlegungen miteinzubeziehen. Das Areal, ausgewiesen als allgemeines Wohngebiet, ist 0,4 Hektar groß und wird von der Hinteren Straße über eine Stichstraße mit Wendefläche erschlossen. Vorgesehen sind etwa acht bis zehn Bauplätze für Einzel- und Doppelhäuser, wobei die Grundstücksgrößen laut Bürgermeister Musolf zwischen drei und vier Ar variieren und damit „einen Tick“ größer sind als im „Kronengarten“. Bei den Gebäuden werden auch Pultdächer mit einem Neigungswinkel von mindestens fünf Grad zugelassen.
Artenschutzrechtliche Belange überprüfte der Diplom-Biologe Peter Endl. Er sah für das Baugebiet keine Probleme, wenn Rodungszeiten eingehalten und vorzeitig Nistkästen als Angebot für Höhlenbrüter aufgehängt werden.
Bürgermeister Musolf lag es am Herzen, den Bebauungsplan rasch auf den Weg zu bringen, „um die Sommerpause zu nutzen“. Dies erachtete auch Diplom-Ingenieur Jürgen Holder von Geoteck als sinnvoll.
Die Gemeinde wird nun den Bebauungsplan „Hintere Straße“ für die Dauer von einem Monat öffentlich auslegen. In dieser Zeit können betroffene Behörden ihre Stellungnahmen abgeben.
Da nicht alle Flächen des innerörtlichen Baugebiets der Gemeinde gehören, soll ein Umlegungsausschuss die Eigentumsstruktur des Areals klären. „Die Baulandumlegung ist das zweckmäßigste und eleganteste Mittel, spätere Grundstücke auszuweisen. Dazu brauchen wir keinen Notar, und die Umlegung ist steuerfrei“, sagte Jürgen Holder, der als vermessungstechnischer Sachverständiger dem Umlegungsausschuss ebenso angehören wird wie Günter Baumann von Geoteck als bautechnischer Sachverständiger und die Mitglieder des Ausschusses für Technik und Umwelt des Gemeinderats.
Für Bissingen ist die sogenannte Innenverdichtung aus mehreren Gründen von Bedeutung, wie bereits im vergangenen Jahr Professor Richard Reschl vom Stuttgarter Büro Reschl und Höschele aufzeigte: Zum einen gilt es, in den nächsten Jahrzehnten auf eine beständige beziehungsweise vielleicht sogar steigende Einwohnerzahl zu achten, um die Infrastruktur – Einkaufsmöglichkeiten, Arzt, Zahnarzt und Apotheke – für den Ort erhalten zu können. Zum anderen, und das steht mit der Innenverdichtung in engem Zusammenhang, geht es darum, den historischen Ortskern vor dem Aussterben zu bewahren und neues Leben in die Ortsmitte zu bringen. Und zum Dritten kann durch Baugrund innerorts wertvoller Boden um das Dorf herum für Landwirtschaft und Natur erhalten werden.