56 Gruppen sind gestern beim Nachtumzug des Gesindes Schleichingen durch Notzingen gezogen
Närrisch-anarchisch-nächtliches Treiben

Notzingen. Bei Nacht sind alle Narren grau – sollte man meinen. Und am Anfang wirkt es auch tatsächlich so: Der Nachtumzug des Notzinger 


Brauchtumsvereins Gesinde Schleichingen, der vom Kelterplatz über die Bachstraße zum Rathaus führt, startet leicht chaotisch. Nicht nur das Tageslicht scheint zu fehlen, sondern auch der Überblick. Einzelne Gruppen reihen sich mitunter selber ein, wenn ihnen in der Dunkelheit die Orientierung verloren gegangen ist. „Wir sind die Nummer 33“, sagt eine Närrin am Kelterplatz und zeigt sich auch weiter auskunftsfreudig: „Im Bus waren wir noch die Nummer 31. Aber das ist uns egal, wir würden auch als Nummer 49 laufen.“ Flexibilität und Freude an der Narretei gehören eben zum Notzinger Umzug.

Und doch wäre es völlig falsch zu behaupten, dass der Zug ungeordnet loszieht: Als Fels in der Brandung steht Volker Bossert, Zunftmeister des Gesindes Schleichingen, am Anfang der Bachstraße, begrüßt jede einzelne der 56 gemeldeten Gruppen sehr herzlich und sorgt dafür, dass die vorgegebene Ordnung eingehalten wird. Zwischendurch gibt er aber schon einmal die närrisch-anarchische Parole aus: „Ja net anständig bleiba!“

„Anarchisch“ ist sicher das richtige Stichwort, aber es handelt sich bei der Aufstellung zum Umzug um eine Art funktionelle Anarchie. Volker Bossert nennt es „wilde Aufstellung“ und erklärt zwischendurch, warum es gar nicht anders geht: „Wir haben nicht den Platz, um eine Straße zu sperren und sie mit Nummern für die Aufstellung zu versehen.“ Irgendwie klappt es ja trotzdem, immer wieder, und auch die Reichenbacher reihen sich ganz zum Schluss richtig ein.

Wer allerdings am Ende immer noch denkt, dass bei Nacht alle Narren grau sind, der sollte sich den Umzug nächstes Mal nicht entgehen lassen: Die vielen bunten Lichter – ob sie als Ketten um die Hexenbesen gewickelt sind oder ob sie direkt als glühende Augen aus den Masken funkeln – zeigen den gänzlich eigenen Reiz eines nächtlichen Umzugs.

Für eine Gruppe ist schon allein der Name Programm beim Notzinger Nachtumzug: Die Narrenzunft Richen hat sich den Namen „Noctem“ verpasst. Hier kommt also zusammen, was zusammen gehört.