Kandidaten für ein politisches Ehrenamt zu finden, wird immer schwieriger. Was für den Gemeinderat in den Kommunen gilt, spiegelt sich auch in der Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um ein Mandat im Esslinger Kreistag wider. 746 Namen stehen auf den vom Wahlausschuss bestätigten Listen der sieben Fraktionen aus Freie Wähler, CDU, Grüne, SPD, FDP, AfD und Linke, die um einen der nominell 86 Sitze im Kreisparlament kämpfen – 37 weniger als bei der Wahl vor fünf Jahren. Dabei wurde die Altersgrenze für Bewerber erstmals auf 16 Jahre abgesenkt. Der Frauenanteil an den Gesamtbewerbungen ist nur leicht gestiegen: auf 34 statt zuletzt 31 Prozent. Die Zahl der zu vergebenden Sitze kann sich gegenüber der gesetzlich vorgegebene Sitzzahl durch Ausgleichsmandate auf maximal 103 erhöhen. Aktuell gehen 96 Fraktionsmitglieder und zwei Einzelabgeordnete ihrer politischen Arbeit im Kreistag nach. Ein Sonderfall bleibt auch bei der Wahl im Juni die Liste Engagierte Bürger, die zum fünften Mal im Wahlkreis Leinfelden-Echterdingen antritt.
Immerhin: Bei den ersten Kommunalwahlen, bei denen auch Jugendliche aufgefordert sind, zu kandidieren, stehen drei 17-Jährige auf den Listen. Jüngste Bewerberin ist Carla Reichardt aus Bonlanden, die für die Grünen gleichzeitig auch um den Einzug in den Filderstädter Gemeinderat kämpft. Ältester Kandidat für den Kreistag ist Werner Illi aus Ruit (Jahrgang 1934), der für die AfD ins Rennen geht.
Wird sich das Gesicht des Kreistags bei dieser Wahl radikal ändern? Wohl eher nicht. Auf den Listen finden sich die Namen zahlreicher altgedienter Kräfte. Mit Bernhard Richter (Freie Wähler), Sieghart Friz (CDU), Marianne Erdrich-Sommer (Grüne), Michael Medla (SPD) und Ulrich Fehrlen (FDP) treten fünf der aktuellen Fraktionsvorsitzenden erneut an. Einen Führungswechsel wird es definitiv bei AfD und Linke geben, wo Kerstin Hanske und Peter Rauscher nicht mehr kandidieren.
Ein heißer Kandidat auf den AfD-Vorsitz dürfte Ulrich Deuschle sein, der in der Rechtsaußen-Partei damit späte Genugtuung erfahren könnte. Bei der Wahl vor fünf Jahren wurde der Notzinger, der kommende Woche seinen 72. Geburtstag feiert, noch ausgebootet. Die Mehrheit der AfD-Mitglieder im Kreisverband, das verriet die damalige Fraktionssprecherin Vera Kosova gegenüber der Presse, sehe Deuschles Vergangenheit bei den rechtsextremen Republikanern, für die er unter anderem fast ein Jahrzehnt lang im Landtag saß, kritisch und nicht mit basisdemokratischen Grundsätzen der Partei vereinbar. Die Zeiten ändern sich. Seit vergangenem Jahr ist der Diplom-Volkswirt, der zuletzt nur noch als Einzelabgeordneter mit 35-jähriger Parlamentserfahrung im Kreistag saß, aktivster Sprecher der AfD-Fraktion und damit ein Anwärter auf den künftigen Vorsitz. Bei der Linken dürfte nach dem Abschied des langjährigen Fraktionschefs Peter Rauscher (Nürtingen) der Esslinger Martin Auerbach Führungsansprüche anmelden.
Wenig Bewegung gibt es im bürgerlichen Lager. Bei den Freien Wählern versammelt der alte und wohl auch neue Fraktionschef Bernhard Richter in der derzeit stärksten Fraktion wie gewohnt eine starke Verwaltungsmannschaft hinter sich. Allein in den beiden Wahlkreisen Kirchheim und Weilheim treten sechs amtierende Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zur Wahl an. Erstmals für die Sozialdemokraten am Start ist der Kirchheimer SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kenner, der – wenn man so will – seinen eigenen Sohn beerben könnte, der den Kreistag nach einer Legislaturperiode wieder verlässt. Ihre Mandate nieder legen auch Michael Holz und Franziska Fahrion als Kirchheimer Vertreter der Grünen. Am Ende gibt es noch ein Comeback von höchster Ebene: Markus Grübel, seit 2002 CDU-Abgeordneter im Bundestag, will bei der nächsten Wahl nicht mehr für einen Sitz in Berlin kandidieren. Stattdessen liebäugelt der Esslinger mit einer Rückkehr in die Kommunalpolitik. Von 1999 bis 2002 saß der 64-Jährige schon einmal für die CDU im Kreistag.