Bundestagswahl

Kopie von „Leistungen einzufordern ist keine Körperverletzung“

Podiumsgespräch FDP-Generalsekretärin Nicola Beer stellt sich in Kirchheim Fragen zur Bildung, zu Europa, Gesundheit, Rente und Verkehr. Von Andreas Volz

Liberales Quartett: Gastgeber Dr. Jörg Mosolf im Gespräch mit Renata Alt, Jochen Haußmann und Nicola Beer (von links).Foto: Cars
Liberales Quartett: Gastgeber Dr. Jörg Mosolf im Gespräch mit Renata Alt, Jochen Haußmann und Nicola Beer (von links).Foto: Carsten Riedl

Kirchheim ist derzeit eine beliebte Anlaufstelle für Spitzenkräfte der FDP: Nach dem Bundesvorsitzenden Christian Lindner stattete nun auch Generalsekretärin Nicola Beer der Teckstadt einen Besuch ab: Bei der Firma Mosolf sprach sie über Themen wie Bildung, Europa, Gesundheit, Rente und Verkehr. Mit von der Partie waren Jochen Haußmann, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Stuttgarter Landtag, und die hiesige Bundestagskandidatin Renata Alt.

Unter „weltbester Bildung“, wie die FDP sie in ihrem Wahlprogramm fordert, versteht die einstige hessische Kultusministerin Nicola Beer „Bildung, durch die jeder das beste aus sich herausholen kann“. Um das zu erreichen, müssten die Schulen selbständiger werden und die Schüler in stärkerem Maß als bisher individuell fördern, aber auch fordern. Lernen sei anstrengend: „Wer Fußball spielen will, muss ja auch trainieren.“ Schüler könne man also durchaus herausfordern. Deshalb sagt sie: „Leistung ist für mich kein Fremdwort. Wenn man Leistungen einfordert, hat das auch nichts mit Körperverletzung zu tun.“

Renata Alt legt besonders großen Wert auf die duale Ausbildung: „Dieses System müssen wir unbedingt beibehalten. In vielen Bereichen fehlen bereits die Fachkräfte. Nicht jeder will studieren, und nicht jeder kann studieren.“ Jochen Haußmann sieht Schwierigkeiten durch zu viele Umwälzungen in zu kurzer Zeit beim baden-württembergischen Schulsystem. Unter anderem deshalb sei das Land in den jüngsten Rankings von einem Spitzenplatz ins letzte Drittel abgerutscht.

Was Europa betrifft, so herrschte in der Kirchheimer FDP-Runde eine Art Aufbruchstimmung. Renata Alt: „Nach dem Brexit-Beschluss haben viele Menschen erkannt, was sie eigentlich an Europa haben.“ Sie selbst sei in einem Land aufgewachsen, in dem es damals weder Reise- noch Meinungsfreiheit gab. „In Osteuropa schätzt man die Reisefreiheit bis heute enorm.“ Wichtig ist ihr auch eine andere Entwicklung: „Im letzten Jahr haben die Leute erkannt, dass rechtspopulistische Kräfte keine Lösungen haben und den Menschen nur Angst einjagen.“

Für Nicola Beer ist es an der Zeit, Europa neu zu justieren. Aber nicht über jedes Thema müsse Europa entscheiden: „Gemeinsame Themen sind die Grenzsicherung und die Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik.“ Hier vermisst sie aktuelle Lösungen bereits im Ansatz. Beim Brexit wiederum komme es nicht darauf an, den Ausstieg für die Briten möglichst schmerzhaft zu gestalten: „Wir müssen uns in Europa eher zu einem Club entwickeln, aus dem gar keiner mehr weg will.“

Zur Gesundheit: Von einer Bürgerversicherung hält keiner der Podiumsteilnehmer etwas. Alle drei plädieren für den Wettbewerb der Kassen und warnen vor Monopolstellungen einiger weniger. Eine Zwei-Klassen-Medizin werde es aber nach wie vor geben - in diesem Fall eben in Form von privaten Zusatzversicherungen.

Ähnliches gilt bei der Rente. Nicola Beer: „Wenn alle in die gesetzliche Rente einzahlen, steigen die Renten statistisch natürlich.“ Diese Statistik helfe aber denjenigen rein gar nichts, die aufgrund unterschiedlicher biografischer Gründe nur eine kleine Rente erhalten. Solche kleinen Renten würden dadurch nicht steigen. Deshalb will sie die betriebliche Vorsorge entbürokratisieren und den Erwerb von Wohneigentum erleichtern.

Eigentum sieht sie derzeit sogar beim Auto gefährdet: Fahrverbote für Dieselfahrzeuge bezeichnet sie als Enteignung für alle, die sich erst kürzlich ein neues Auto gekauft haben - im Vertrauen darauf, dass sie damit auch fahren dürfen. Wie Jochen Haußmann, sieht auch Nicola Beer das Elektroauto nicht als Allheilmittel. Auch diese Antriebsart sorge für Feinstaub - unter anderem durch die Art der Stromgewinnung. „Wir brauchen Forschung und Entwicklung in allen Bereichen. Es wäre ein Fehler, wenn die Politik entscheiden will, welcher Energieform die Zukunft gehören soll.“

Sicher nicht von ungefähr erwähnt sie auch die Brennstoffzelle. Schließlich ist sie in Kirchheim, und zu Kirchheim gehört Nabern!