Müll einsammeln ist nicht seine Aufgabe. Stephan Wagner macht es dieser Tage trotzdem. In der Manzstraße am Rand des Kirchheimer Steingau-Quartiers sind mal wieder gelbe Säcke nicht zum vereinbarten Termin abgeholt worden. Genauer gesagt: mit achttägiger Verspätung. Derweil haben sich Tiere am Inhalt zu schaffen gemacht. Den Rest hat der Sturm besorgt. Müll auf der Straße, Müll im Gebüsch und zwischen parkenden Autos. Ein Bild, das es in der Manzstraße so nicht zum ersten Mal gibt.
Die Beschwerden über Probleme bei der Abfuhr von gelben Säcken reißen nicht ab, seitdem zu Jahresbeginn der Anbieter gewechselt hat. Stephan Wagner hat das Geschehen genau dokumentiert. „Am 12. Januar blieben die Säcke schon einmal liegen“, sagt er. „Auch da dauerte es länger als eine ganze Woche.“ Kommunale Entsorger wie der kreiseigene Abfallwirtschaftsbetrieb werben schon lange dafür, dass auch Leichtverpackungen in ihre Zuständigkeit fallen und damit die gesamte Müllabfuhr in einer Hand gebündelt wird. Für die gelben Säcke ist das Duale System zuständig, das Aufträge in eigener Regie ausschreibt. Ein solcher Auftragnehmer ist die RMG Rohstoffmanagement GmbH im rheinischen Eltville, die seit 1. Januar auch für den Kreis Esslingen zuständig ist.
Damals blieben die Säcke teils wochenlang liegen.
Der Bürgermeister im hessischen Groß-Umstadt, René Kirch, zu früheren Problemen mit dem Entsorger RMG.
Auf Nachfrage bei RMG meldet sich die Hausjustitiarin zu Wort. Der Wechsel eines Entsorgers gehe immer mit leichten Anfangsproblemen einher, betont Rechtsanwältin Birgit Bärtsch. Der einzelne Bürger überblicke aus verständlichen Gründen nicht, welche logistischen Anforderungen an einen solchen Auftrag gestellt würden. „Es handelt sich hier um 50.000 Tonen, die geleert werden müssen.“ Die jüngsten Probleme in Kirchheim erklärt die Sprecherin mit dem kurzfristigen Ausfall eines Fahrzeugs.
Leichte Anfangsprobleme? Zumindest im Esslinger Abfallwirtschaftsbetrieb kann man das nicht bestätigen. Dort geht seit Wochen eine Flut telefonischer Beschwerden ein, obwohl der Kreis der falsche Adressat ist. Bei der Zentek-Gruppe in Köln, einem von bundesweit acht Anbietern im Dualen System Deutschland und als solcher für den Kreis Esslingen zuständig, wirbt man um Verständnis. Zentek ist Auftraggeber für RMG. Der Kreis Esslingen stelle eine besondere Herausforderung dar, sagt Alexander Stoppel, der als Regionalleiter für den Südwesten zuständig ist. Mit seiner hohen Bevölkerungsdichte, aber auch weil der Kreis Mischgebiet ist. In anderen Worten: Hier gibt es, je nach Haushalt, einen bunten Mix aus Säcken und Tonnen. Durch den Wechsel vom seitherigen Entsorger Remondis zu RMG müssen gleichzeitig die Behälter getauscht werden. „Uns war klar, dass das nur in enger Abstimmung funktionieren kann“, sagt Stoppel. Deshalb gebe es regelmäßige Videokonferenzen, an denen neben dem Esslinger AWB auch Vertreter des alten und neuen Abfuhrunternehmens beteiligt seien. „Ich gehe davon aus, dass wir in zwei bis drei Wochen auf aktuellem Stand sein werden.“
Ist RMG ein Opfer der besonderen Umstände? Auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg, wo das Unternehmen seit Januar für Leichtverpackungen zuständig ist, häufen sich Beschwerden. Die Lokalzeitung berichtet von Ratten, die sich über liegen gelassenen Müll hermachen. René Kirch, Bürgermeister von Groß-Umstadt, macht sich für einen Anbieterwechsel stark. Probleme mit RMG habe es vor sechs Jahren schon gegeben. „Damals blieben die Säcke teils wochenlang liegen, wurden vom Wind verweht, von Tieren aufgerissen und der Inhalt verteilt.“ Ähnliche Berichte gibt es aus Celle in Niedersachsen, aus Hannover, Pinneberg, Ratingen oder dem Kreis Schaumburg. Überall am Werk: RMG. Überall die gleiche Begründung für ähnliche Probleme: die hohen logistischen Anforderungen.
Im Schwalm-Eder-Kreis im Regierungsbezirk Kassel sorgt RMG seit Januar auf andere Weise für Probleme. Dort wurde dem Unternehmen zum Jahresende außerordentlich gekündigt – trotz Vertragslaufzeit bis 2027. Der Grund: Der Zweckverband Abfallwirtschaft Schwalm-Eder war nicht bereit, eine von RMG geforderte, aber nicht belegte Preiserhöhung von 24,4 Prozent zu akzeptieren. Probleme bei der Übergabe im Januar erklärt das Nachfolgeunternehmen mit mangelnder Kooperationsbereitschaft seitens RMG.
Und was sagt Zentek dazu? Man arbeite schon seit einigen Jahren mit RMG zusammen, sagt der Prokurist und Leiter des Bereichs Entsorgung, Alexander Keiser. „RMG ist ein Fachbetrieb wie jeder andere mit hochqualifizierten Kräften.“
Müllfahrer nutzen lernfähiges Navigationssystem
Müllfahrzeuge sind grundsätzlich mit GPS-Systemen ausgestattet, in die alle Standorte, die angefahren werden müssen, eingepflegt werden. Die Fahrer bekommen vor dem Start ihre Touren aufgespielt und fahren diese wie vorgegeben ab. Wenn Einsatzgebiete neu sind, kann es aufgrund geografischer Besonderheiten oder veränderter Verkehrsführung zu Fehlern kommen. Solche Fehler müssen nachträglich korrigiert werden. „Die Systeme, die die Unternehmen nutzen, sind lernfähig“, sagt Alexander Keiser von Zentek in Köln. Die Unternehmensgruppe ist Teil des Dualen Systems Deutschland.
Probleme melden geht am einfachsten über die Servicenummer 08 00/4 00 60 05 (Anrufe aus dem Festnetz kostenlos) oder per Mail an gelbe-tonne.esslingen@rmg-gmbh.de. bk