Kirchheim
ÖPNV: Busse sollen in Kirchheim Vorfahrt bekommen

Verkehr Tempo 30, Baustellen und ein defektes Ampel-System bremsen in Kirchheim den ÖPNV aus. Von Anke Kirsammer

Kirchheim. Busfahrer, die den Takt kaum einhalten können, und Fahrgäste, die sich beschweren, weil ihnen die S-Bahn vor der Nase wegfährt – der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) wird auch durch die Tempo-30-Zonen auf den Durchgangsstraßen in Kirchheim und dem Umland gefordert. „Ja, außerhalb der Ferien ist es immer wieder schwierig, den Fahrplan einzuhalten“, sagt ein Busfahrer, der schon seit Jahren „Linie fährt“. Natürlich kosteten die Tempo-30-Zonen Zeit. Besonders eng gehe es auf der 175er zu, die von Kirchheim über Dettingen und Bissingen nach Weilheim und über Jesingen wieder zurück nach Kirchheim fährt.

 

Es ist schwierig, wenn man Tempo 30 anordnet und sonst nichts macht.
Hartmut Jaißle
Laut dem Nahverkehrsberater braucht es ein ganzes Bündel an Maßnahmen.

 

Der Nahverkehrsberater Hartmut Jaißle sieht das Problem nicht allein in der verordneten Tempo-Drosselung: „Was die Sache schwierig macht, sind auch Baustellen, die an vielen Stellen gleichzeitig sind. Busse werden dann ausgebremst, wenn man Tempo 30 anordnet und sonst nichts macht.“ Gegensteuern könnte man etwa, indem man sie nicht mehr in Buchten halten ließe und ihnen an Ampeln Vorrang einräumen würde. Leuchtet in Kirchheim an Ampeln ein weißes A auf, heißt das, ein Bus hat Grün angefordert. „Das hat lange gut geklappt“, so Hartmut Jaißle. Doch das System sei in die Jahre gekommen, Ersatzteile gebe es nicht mehr. An der Polizeiwache sei es Baumaßnahmen zum Opfer gefallen, und selbst am Busbahnhof sei es defekt. „Dort bin ich auch schon minutenlang im Bus gesessen und habe die S-Bahn abfahren sehen“, berichtet Hartmut Jaißle. Seine Hoffnung richtet sich auf eine moderne Technik, bei der sich Busse über GPS-Signale an den Ampeln anmelden.

Ziel der Stadt ist ein flüssiger Verkehr

Vanessa Palesch, Sprecherin der Stadt Kirchheim, bezeichnet das neue System als einen Baustein, um den ÖPNV attraktiver, also auch pünktlicher zu machen. „Das Problem kann nicht allein auf die Ausweitung von Tempo-30-Zonen reduziert werden“, so die Position der Stadt. Statt nur nach der Höchstgeschwindigkeit zu gucken, käme es vielmehr auf die Durchschnittsgeschwindigkeit an. Ziel müsse ein flüssiger Verkehr sein. In den Blick nehme die Stadt deshalb auch die Haltestellen, um nach Stopps eine zügige Weiterfahrt zu gewährleisten. Vanessa Palesch weist auf den halbjährlich stattfindenden „ÖPNV-Dialog“ in Kirchheim hin. An einem Tisch sitzen dabei Vertreter von Landkreis, Busunternehmen, VVS und ein die Stadt beratender ÖPNV-Experte.

Beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) begrüßt man grundsätzlich Lärmaktionspläne, die meist hinter den 30er Zonen stehen. Eine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs trage zu weniger Lärm bei. Dafür brauche es aber einen verlässlichen ÖPNV, so die Pressesprecherin Ulrike Weißinger. Längere Fahrzeiten durch Tempo 30 führten in Kirchheim dazu, dass sich Busse verspäteten und Fahrgäste den Anschluss an die S-Bahn verpassten. Augenmaß bei Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Straßen mit Linienbusverkehr, eine behinderungsfreie Fahrt zwischen den Haltestellen sowie Bevorrechtigung und Beschleunigung könnten zu einem funktionierenden ÖPNV beitragen. „Im Gespräch mit der Stadt haben wir mit dem Landratsamt die akute Problematik in Kirchheim und Umgebung dargelegt“, so die VVS-Sprecherin. Vorgeschlagen worden sei etwa, Bussen Vorfahrt vor Fußgängern einzuräumen, in den Busbahnhof einbiegenden Bussen Vorrang zu geben und Buscaps statt Haltebuchten einzurichten. Was umgesetzt werde, entscheide aber letztlich die Stadt.

Das neue System ist für Anfang 2025 geplant

Schon jeweils vor der Einführung von Tempo 30 weise das Landratsamt Esslingen im Rahmen von Lärmaktionsplänen darauf hin, dass längere Fahrzeiten durch busbeschleunigende Maßnahmen ausgeglichen werden müssen, teilt Sarah Panten, eine Sprecherin des Landratsamts Esslingen, mit. Eine Lösung sei das neue System an den Ampeln. Das sei in Kirchheim für Anfang 2025 geplant. Sarah Panten kündigt zudem zum 1. Januar 2025 ein neues Fahrplankonzept für die Linien rund um die Teckstadt an. Dazu gehöre das Prüfen und Anpassen von Fahrplänen. Überlegungen, die Routen der Buslinien zu ändern, gebe es indes derzeit nicht.