Sicherheit steht an erster Stelle, und das ist auch gut und richtig so. Aber manchmal treibt das Sicherheitsbedürfnis erstaunliche Blüten – so bei der Sanierung der Eduard-Mörike-Sporthalle in Ötlingen: Oben auf der Tribüne fehlt der zweite Rettungsweg, aber nur für den Fall, dass die Tribüne eingefahren ist. Ist sie dagegen ausgefahren, können alle, die sich oben aufhalten, problemlos nach unten und von dort aus auf Hallenbodenniveau ins Freie gelangen.
Die pragmatische Lösung, die die Mitglieder des Ausschusses für Infrastruktur, Wohnen und Umwelt deshalb vorschlugen, klingt ganz simpel: Die Tür zur oberen Etage ist immer geschlossen zu halten, wenn die die Tribüne eingefahren ist, also beim „normalen“ Sportbetrieb. Sie soll nur geöffnet werden, wenn Publikum erwartet wird und deshalb dann auch die Tribüne ausgefahren ist. Demnach gäbe es spezielle „Tage der offenen Tür“. Durch diese Schließordnung ließe sich folglich auf den Einbau einer weiteren Türe samt Fluchttreppe Verzicht leisten und eine Menge Geld sparen.
Ganz so einfach ist es aber nicht. Hans-Joachim Bury vom Stuttgarter Büro „TRIAS Brandschutzplanung“ bestätigte zunächst, dass es bei ausgefahrener Tribüne genügend Fluchtmöglichkeiten gibt. Bei eingefahrener Tribüne dagegen müsse „organisatorisch sichergestellt sein, dass sich niemand oben aufhält“. Er brachte das auf die einfache Formel: „Wenn es keine Nutzung gibt, braucht es auch keinen Rettungsweg.“
Grünen-Stadtrat Michael Attinger brachte einen technischen Ansatz ins Spiel: „Das lässt sich doch über Sensoren steuern. Wenn die Tribüne eingefahren ist, wird die Tür automatisch blockiert.“ Der Brandschutzexperte hielt das für „nicht zulässig, weil die Technik ja einmal ausfallen kann“.
Keinerlei Handlungsspielraum?
Marc Eisenmann (SPD) hakte weiter nach: „Haben wir da keinerlei Handlungsspielraum? Das Loch in der Wand und die Fluchttreppe brauchen wir ja nur, wenn die Tribüne eingefahren und die Türe trotzdem geöffnet ist.“ Die Tür lasse sich problemlos schließen und vor Beginn einer entsprechenden Veranstaltung öffnen.
Wenn sichergestellt sei, dass keiner auf normalem Weg auf die Tribüne gelangt, sieht auch der Experte kein Problem: Wenn die Türe abgeschlossen ist, könne es ja höchstens ein paar Mutwillige geben, die von unten hochklettern – sozusagen auf eigene Gefahr. „Aber“, fuhr er fort, „trotzdem stellt sich die Frage, wer die Verantwortung trägt, sollte doch einmal nicht abgeschlossen sein.“ Kirchheims Erster Bürgermeister Günter Riemer ergänzte: „Pragmatische Lösungen sind immer gut. Hier besteht jedoch die Sorge, dass es nicht funktioniert, weil zu viele Leute einen Schlüssel haben.“
Reinhold Ambacher von den Freien Wählern fragte nach, ob man auch mit einer Notfallrutsche arbeiten könne. Brandschutzexperte Bury hält das für zulässig in einer Kindertagesstätte. An einem Veranstaltungsort sei es aber problematisch, weil Menschen mit Gehbehinderungen sich dort aufhalten könnten oder aber Menschen, die sich nicht trauen würden zu rutschen.
Für CDU-Stadtrat Thilo Rose ist es unablässig, die passende pragmatische Lösung zu finden: Das Risiko, dass dort jemand im Brandfall zu Schaden kommt, sei „minimal“. Deswegen versteht er nicht, „warum wir einen hohen finanziellen Aufwand betreiben müssen, um ein ohnehin geringes Risiko noch weiter zu verringern“.
Weil sich im Prinzip alle einig waren, die Fluchttreppe nicht bauen zu wollen, wenn das irgendwie geht, hat sich das Gremium bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen für einen Prüfauftrag entschieden: Die Verwaltung möge prüfen, ob die Möglichkeit besteht, „durch organisatorisch-technische Maßnahmen auf einen zweiten Rettungsweg bei nicht ausgefahrener Tribüne zu verzichten“. Dann könnte es – wegen der vielen Schlüssel – unter Umständen schon genügen, einfach das Schloss auszutauschen.