Kirchheim
Überbrückungshilfen: Lässt der Staat Familienbetriebe im Stich?

Corona-Hilfen Der Modehändler Ralf Gerber hat Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht, weil er Mietkosten erstattet bekommen möchte – wie andere Betriebe, deren Vermieter nicht zur Familie gehören. Von Andreas Volz

Ralf Gerber (rechts) und Eberhard Krämer fragen sich, wie sie wirksam gegen eine Benachteiligung von Familienbetrieben bei den Corona-Überbrückungshilfen vorgehen können. Die Klage beim Verwaltungsgericht ist seit Juni eingereicht.     Foto: Carsten Riedl

Ralf Gerber geht es um Gerechtigkeit, wenn er gegen eine Regelung klagt, bei der er sich in Sachen Corona-Überbrückungshilfen benachteiligt fühlt. Der Kirchheimer Modehändler sieht das aber viel allgemeiner. Es geht nicht nur
 

Da bin ich ganz klar benachteiligt.
Ralf Gerber
weht sich gegen eine Ungleichbehandlung von Familienbetrieben

um ihn selbst, sondern ganz allgemein um Familienunternehmen, die seiner Ansicht nach schlechter gestellt sind als andere Betriebe.

Der entscheidende Punkt ist die Trennung von Betrieb und Immobilie – eine gängige Konstellation, wie Ralf Gerber und sein Steuerberater Eberhard Krämer berichten. Häufig werde das Modell als eine Art der Alterssicherung genutzt, wenn der Betrieb an die nachfolgende Generation übergeben wird. Wo sich früher einmal in der Landwirtschaft die ältere Generation aufs „Altenteil“ oder ins „Ausgeding“ zurückgezogen hat, profitiert sie heute vielfach vom Erhalt des Immobilienbesitzes und nutzt die Mieteinnahmen als „Rente“. Ralf Gerber sagt dazu: „So ist das bei ganz vielen Betrieben in Handel und Gastronomie.“

Genau das ist aber der Kernpunkt seiner Klage, die er bereits im Juni beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht hat. Der Staat scheint nämlich die Familie in seiner Corona-Politik sehr stark in die Pflicht zu nehmen. Familien sollen einander in der Not beistehen. Im konkreten Fall heißt das, die Familie möge doch bitte auf die Mieteinnahmen verzichten, wenn ein Laden corona-bedingt über Monate hinweg geschlossen bleiben muss und entsprechend hohe Umsatzeinbußen zu verzeichnen hat.

„Da bin ich doch ganz klar benachteiligt gegenüber jemandem, der seine Immobilie beispielsweise von der Stadt gemietet hat“, ärgert sich Ralf Gerber. Um die Forderungen des Vermieters erfüllen zu können, bekomme derjenige die Kosten erstattet. Umgekehrt ist in diesem Fall also vor allem derjenige benachteiligt, der sein Gebäude an den eigenen Familienbetrieb vermietet – weil er im Gegensatz zu einem fremden Vermieter, wie etwa auch der Kommune, auf seine Mieteinnahmen verzichten muss.

Ein ganz anderes Problem war das Beantragen der Corona-Hilfen: „Da gab es Unterstützung durch FAQs“, erinnert sich Eberhard Krämer, „aber leider nicht in Form klarer gesetzlicher Regelungen.“ Mindereinnahmen waren im Vorfeld zu schätzen. Wer dagegen extra gewartet hat, um genauere Beträge angeben zu können, bekam vielleicht gar nichts mehr, weil er die Hilfen zu spät beantragt hatte. Dann hieß es mitunter sogar, man habe das Geld ja gar nicht gebraucht.

Letzteres könnte für Ralf Gerber ein Nachteil werden: „Das, worüber wir jetzt vor Gericht streiten, haben wir ja noch gar nicht gekriegt.“ Andererseits sieht er gerade darin einen Vorteil: „Ich habe mit Leuten gesprochen, die ihr Geld schon lange bekommen haben und es jetzt mit Rückzahlungsaufforderungen zu tun haben.“
 

„Es geht um Gerechtigkeit“

Ob es wirklich sinnvoll ist, wegen des Wettbewerbsnachteils zu klagen, dem er sich ausgesetzt sieht, weiß Ralf Gerber noch nicht. Aber er will es wenigstens versucht haben: „Ich will alles dafür tun, um hier Gerechtigkeit erfahren zu können, und ich will mir nicht vorwerfen müssen, tatenlos zugeschaut zu haben.“

Für Eberhard Krämer ist die Tatenlosigkeit ist in diesem Fall nicht das Problem – eher das Gegenteil: Weil alle diese Anträge immer auch über die Steuerberaterbüros liefen, spricht er sicher im Namen seiner gesamten Branche: „2020 waren wir zu 100 Prozent ausgelastet. Mit Corona oder auch der Grundsteuererhebung waren wir dann bei 250 Prozent – und das in einer Zeit, in der man nirgends zusätzliches Personal bekommt.“

Dieses Problem lässt sich vor Gericht nicht lösen. Das von Ralf Gerber schon. Die Frage ist nur, wie lange es dauert und ob er dann wirklich eine Lösung hat, die sich mit seiner Vorstellung von Gerechtigkeit in Einklang bringen lässt. Corona ist vorbei, die juristische Aufarbeitung dagegen hat noch kaum richtig begonnen.