Gericht
Überraschende Wende im Vergewaltigungsprozess: Angeklagter wird aus Haft entlassen

Die angezeigten zwölf Vergewaltigungen in Kirchheim und Lenningen haben wohl nicht stattgefunden.

Landgericht Stuttgart

Kirchheim/Lenningen. Die junge Frau, um die es in einem Vergewaltigungsprozess geht, hat ihre Beschuldigung gegen den 22-jährigen Angeklagten am zweiten Verhandlungstag nicht wiederholt, beziehungsweise von einem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Sie soll mit dem Angeklagten verlobt sein, Heirat sei geplant, wie der Angeklagte selbst sagt. Demnach geht die Strafkammer zurzeit davon aus, dass die zwölf angeklagten Vergewaltigungen wohl nicht stattgefunden haben können. Das Verfahren vor der 5. Großen Strafkammer wird somit nur wegen der gefährlichen Körperverletzung fortgeführt. Da der Vorwurf der Sexualstraftaten wegfällt, wurde der 22-Jährige aus der Haft entlassen.

Am dritten Prozesstag muss auch noch geklärt werden, ob auch die in der Anklageschrift vermerkten Körperverletzungen – Schläge mit der Hand und mit der Faust gegen den Kopf und vor allem das Würgen im Halsbereich – sowie die Todesdrohungen, der Wahrheit entsprechen.

Die Anklage selbst ging noch davon aus, dass der 22-jährige Beschuldigte die Frau in der Zeit von September 2023 bis November 2024 insgesamt zwölf Mal gegen deren Willen sexuell missbraucht habe. Vergewaltigungen mit verschiedenen „erniedrigenden sexuellen Praktiken“, wie die Frau gegenüber ersten Vernehmungen bei der Polizei berichtet hatte. Alle diese Vorwürfe hatte der Mann bereits am ersten Verhandlungstag weit von sich gewiesen und ausgeführt, dass er mit der Frau lediglich ein inniges Freundschaftsverhältnis führte, allerdings mit der Absicht einer Heirat. Die Hochzeit habe man bereits besprochen, sagte er.

Das Gericht wird nun in den noch folgenden fünf Verhandlungstagen zu prüfen haben, ob die Zeugin sich ebenfalls strafbar gemacht haben könnte. Dadurch, dass sie den Vergewaltigungsvorwurf nicht mehr wiederholt, könnte sie wegen Falschbezichtigung und vor allem auch wegen Freiheitsberaubung strafrechtlich belangt werden. Immerhin befand sich der Angeklagte sechs Monate lang in Untersuchungshaft. Auch aus diesem Grund wurde ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht zugebilligt.

Dass es in jedem Fall körperliche Übergriffe gab, bestätigte gestern ein Verwandter des Angeklagten. Die beiden hätten praktisch immer Streit gehabt, wobei es auch zu Übergriffen wie etwa Schubsen kam. Als Folge einer solchen Auseinandersetzung erlitt die Frau einmal einen Nasenbeinbruch.

In den kommenden fünf Prozesstagen wird die Beweisaufnahme mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt, um festzustellen, ob es wirklich zu gefährlichen Körperverletzungen kam, oder ob es sich einfach nur um „Spaß“ handelte, wie der Angeklagte sagt.