Kirchheim
1200 kämpfen in Kirchheim fürs Klima

Demonstration Da war ordentlich was los auf dem sonst am Freitag so verwaisten Marktplatz. Menschen jeglichen Alters bekundeten lautstark ihre Forderungen nach einer besseren Zukunft. Von Iris Häfner

Jung und Alt gemeinsam auf der Straße, und das auch noch in einer Personenstärke, die sich sehen lassen kann - das gab es schon lange nicht mehr in Kirchheim. Kinder, Schüler, Eltern, Großeltern, Gewerkschafter, Kirchenmitglieder und viele weitere Menschen, die sich für eine bessere Umwelt stark machen, demonstrierten gestern bei bestem Wetter für eine konsequentere Klimaschutzpolitik.

Rund 1200 Menschen nahmen in Kirchheim an der weltweiten Aktion „Alle fürs Klima“ teil, die die Schüler-Initiativgruppe „Fridays for Future Kirchheim“ zusammen mit dem zivilgesellschaftlichen Netzwerk „Forum 2030“ veranstaltet hat. Von der Auftaktkundgebung auf dem Marktplatz zogen die Demonstranten über die Marktstraße, den Alleenring und die Turmstraße wieder zurück zum Marktplatz. Die Waldorfschule Kirchheim war mit Mittel- und Oberstufe vertreten, von der Realschule in Wendlingen waren 65 Schüler in die Teckstadt gekommen, ebenso drei Klassen der Pflegeschule. Es gab aber auch Schüler, die ohne Erlaubnis zur Demo gekommen sind. Das Ludwig-Uhland-Gymnasium hat just an diesem Tag den Lehrerausflug anberaumt.

„Ich bin überwältigt von den vielen Teilnehmern. Weltweit setzen sich heute Menschen für ein besseres Klima ein“, sagte Heinrich Brinker vom Kirchheimer Forum 2030. Jung und Alt wechselten sich am Mikro ab. Slogans wurden vielstimmig über den Marktplatz gerufen, etwa „Merkel, Scholz und Scheuer - Bus und Bahn sind uns zu teuer“ oder „Hoch mit dem Klimaschutz - runter mit der Kohle“.Natalie wies auf die vielen Unterstützer hin. „Auch die Kirchen beteiligen sich bundesweit an der Aktion. Pfarrer Maier wird für uns die Glocken läuten“, informierte sie. Tatsächlich schwiegen alle Demonstranten, als das Geläut fünf Minuten lang zu hören war. „Die Glocken der Martinskirche haben fünf vor zwölf zu läuten begonnen. Aber eigentlich ist es schon zwei vor zwölf. Wenn ihr an die extrem heißen Tage im Sommer denkt, dann wird klar: Die Probleme brennen uns sprichwörtlich auf der Haut. Wir alle sehen und spüren schon die ersten Folgen des Klimawandels“, rief Laura ihren Zuhörern zu. Die Landwirtschaft leide darunter, große Teile der Ernte seien vertrocknet. Dem nicht genug, kommen noch Stürme und Überschwemmungen dazu. Greenpeace gehe von 200 Millionen oder mehr Klimaflüchtlingen aus. „Das Leben im Jahr 2050 wird nicht mehr so sein, wie wir es heute kennen, es werden Seuchen ausbrechen und das globale Wirtschaftswachstum wird gestört werden von erbitterten Kämpfen um Essen, um Wasser und vielleicht auch um gute Luft“, sieht sie schwarz für die Zukunft.

Leo beklagte die wenige Zeit, die noch bleibt, um den Klimawandel aufzuhalten. „Tun wir das nicht, wird es sehr teuer für uns“, ist er überzeugt. „Ausdrücklich fordern wir für Deutschland: Kohleausstieg schon im Jahr 2030 - und nicht erst 2038. 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung bis 2035 und die radikale Reduktion der Treibhausgasemissionen - Nullemission bereits 2035“, sagte er. Die CO2-Emissionen, die jeder Deutsche im Jahresdurchschnitt verursacht, liegen bei zehn Tonnen. „Die Realisierung unserer Forderung würde bedeuten: Jeder Deutsche müsste pro Jahr 1800 Euro für seinen CO2-Ausstoß bezahlen. Wer weniger ausstößt, zahlt weniger“, sagte er und forderte seine Zuhörer auf, öfter mal das Auto stehen zu lassen, Fernreisen zu überdenken und vegan zu essen.

„Wir leben in einer Cowboy-Ökonomie. Wie Cowboys erobern wir Gebiete, grasen sie ab, müllen sie voll und ziehen danach weiter. Im Mittelpunkt steht der Begriff des Wachstums, der als die entscheidende Grundlage unseres Wohlstands gilt“, prangerte Hans Dörr vom Forum 2030 an. Seine Lösungsvorschläge: mehr Effizienz, Kreislaufwirtschaft, Verminderung des Konsumverhaltens ohne Zwang und mehr Eigenversorgung. „Statt einen Steingarten anzulegen, verwenden Sie Ihre Gartenfläche, um ein paar Tomaten, Bohnen oder Kräuter anzubauen“, schlug er vor.

Schließlich warben noch drei Schülerinnen eindringlich für einen veganen Lebensstil. Der trage nicht nur zu einem vitalerem und gesünderen Leben bei, sondern erspare vielen Tieren großes Leid und schone Ressourcen.