Aggressiv bis resigniert – so beschreibt der Betriebsratsvorsitzende von Recaro Automotive, Frank Bokowits, die Stimmung, die bei der Betriebsversammlung am Mittwochnachmittag des Autositz-Herstellers in Kirchheim herrschte. Dabei wurde die Belegschaft über die düsteren Aussichten der Firma informiert. Der Unmut über die Geschäftsführung kam zum Ausdruck. „Die Geschäftsführung hat fast nichts gesagt. Viele Fragen aus der Belegschaft drehten sich um rechtliche Sachen“, sagt Frank Bokowits. Die beantwortete Anna Bauer von einer Münchner Rechtsanwaltskanzlei.
„Wir sind 215 Leute, davon werden wahrscheinlich etwa 150 in zwei Schüben entlassen. Die Ersten werden im Oktober freigestellt. Sie bekommen drei Monate lang Geld von der Arbeitsagentur. Der zweite Schwung wird dann im Dezember entlassen. Somit wird die Produktion bis Jahresende komplett zugemacht“, sagt Frank Bokowits. Diese Befürchtungen wurden von der Arbeitgeberseite nicht dementiert.
Die zwei Schübe ergeben sich aus den zwei Arbeitssträngen im Betrieb. Dabei handelt es sich zum einen um den Aftermarkt, sprich Nachrüstsitze, zum andern um den Verkauf an die (Auto-)Hersteller. Die Aufträge würden derzeit abgearbeitet. „Den Aftermarkt will das Management nach Rumänien verlegen, deshalb dürfen die Mitarbeiter drei Monate länger hier bleiben“, erklärt Frank Bokowits.
Mit einer kleiner Mannschaft mit etwa 40 bis 50 Leuten soll nach Ansicht des Betriebsratsvorsitzenden hier in der Region das Technical-Center betrieben werden, allerdings nicht in Kirchheim. „Das Gebäude ist für 900 Leute ausgelegt“, sagt er. Bei den Abteilungen handele es sich um Vertrieb, Kundenaquise und Entwicklung. „Für Kleinstaufträge mit beispielsweise 1000 Stück braucht es konstruktive Veränderungen“, erläutert Frank Bokowits.
„Das ist Missmanagement vom Feinsten. Die Geschäftsleitung hat gar nicht versucht, hier in Kirchheim Geld zu verdienen. Meiner Meinung besteht schon lange der Plan, dass man hier nicht mehr produzieren will. Wir vom Betriebsrat hatten keinerlei Gestaltungsmöglichkeit“, kritisiert er. Auf Angebote, wie auf Urlaubsgeld zu verzichten oder einige Stunden pro Woche umsonst zu arbeiten, sei nicht mal der Versuch unternommen worden, darauf einzugehen.
„Der erste große Fehler war, 2020 die Logistik nach Markröningen zu verlegen. Da wurde draufgelegt“, ist sich der Betriebsratsvorsitzende sicher. Als weiteren gravierenden Fehler bezeichnet er, dass sich die Firmenleitung auf einen einzigen Kunden verlassen hat, „der dieses Jahr keinen einzigen Sitz mehr bestellt“.
„Wir wollen Entwicklung und Vertrieb auf jeden Fall halten“, erklärt Ulrich Severin, Geschäftsführer von Recaro Automotive in Kirchheim, und verspricht, für jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Über das weitere Vorgehen hält er sich bedeckt. „Es gibt einen Unsicherheitswert, was ein großer OEM-Kunde produktionsartig vorhat“, führt er aus. Dabei handelt es sich um Original Equipment Manufacturer, sprich Erstausrüster oder Originalhersteller. „Im Moment produzieren wir keine Sitze und sind gerade am durchrechnen, welche Bedarfe da sind und welche Leute. Wie die Reduzierung der Mitarbeiter ausfallen wird, darüber können wir im Moment nichts sagen“, erklärt Ulrich Severin. Die Firma befindet sich in Insolvenz in Eigenverwaltung. Das heißt: „Die Lohnkosten müssen wir tragen, da müssen wir richtig rechnen“, sagt Ulrich Severin.