Kirchheim
Ab vom Schuss

Sanierung In Notzingen verzögert sich die Sanierung der Landesstraße Richtung Kirchheim um Monate. Für Einzelhändler ist die Sperrung eine riesige Belastungsprobe. Von Antje Dörr

Von der Außenwelt abgeschnitten, so fühlt man sich gerade im Ort, auch wenn die Straßen Richtung Wernau und Hochdorf aktuell befahrbar sind. Aber über den Würstlesberg Richtung Kirchheim geht schon seit dem 15. Juni nichts mehr, und momentan sieht alles danach aus, als bliebe das noch monatelang so. Auch die Straße nach Rosswälden ist gesperrt. Und die Sanierung des Abschnitts zwischen Ortsmitte und Hochdorf hat noch nicht einmal begonnen.

Was für Autofahrer ärgerlich und lästig ist, ist für manche der Einzelhändler und Gewerbe­treibenden eine weitere Herausforderung, auf die sie im Corona-­Jahr gerne verzichtet hätten. Denn die Geschäfte im Ortskern können von den rund 3600 ­Notzingern und Wellingern allein nicht leben. 12 000 bis 14 000 Autos am Tag, so Bürgermeister Sven ­Haumacher, fahren durch den Ort. Darin sitzen potenzielle Kunden, von denen viele weggefallen sind. Spürbar ist der fehlende Durchgangsverkehr für fast alle, auch wenn die Auswirkungen unterschiedlich sind. Marc ­Schmidt von „Braurevolution“ berichtet von Kunden, die zwar genervt sind von der längeren Anfahrt, den Weg aber dennoch auf sich nehmen. „Ausverkauft sind wir nach wie vor“, sagt er. Die Metzgerei Frik hat mit weniger Kundschaft zu kämpfen, ebenso die Backstube Goll und die Apotheke. Selbst in Kirchheim ist die Baustelle spürbar. „Wir sind komplett von Notzingen, Hochdorf und Reichenbach abgeschnitten, die Zufahrt nach Kirchheim geht jetzt über die Paradiesstraße“, sagt Ingrid Kübler von der Metzgerei „Küblers Wursthaus“, einem Geschäft, das seit dem 19. September Geschichte ist und heute mit neuem Betreiber wieder eröffnet wird.

Besonders klagt der Vertreter des „Bonus“-Markts, Tim ­Töpfer, des einzigen Supermarkts im Ort. Von der Sperrung ist er kalt er­wischt worden, niemand habe ihn vorgewarnt, sagt er. „Wir haben massive Umsatzrückgänge“, sagt der Marketing-Chef. Unglücklicherweise sei die Straße nach Kirchheim schon kurze Zeit nach der Eröffnung gesperrt worden. „Dadurch hatten wir gar keine Chance, uns zu etablieren.“ Das Handtuch werfen möchte ­Töpfer nicht. „Wir wollen das schon durchziehen und die Menschen, die hier arbeiten, nicht fallen lassen. Und auch die Kunden nicht, die kurze Wege brauchen.“ Die Umsatzrückgänge müsse man aktuell über die anderen Bonus-Märkte abfedern. „Wir sind über jede Unterstützung dankbar. Wir leben jetzt von den Kunden in der Nachbarschaft“, sagt Tim Töpfer.

Keine freie Fahrt im Jahr 2020

Ursprünglich sollte der erste Bauabschnitt, die Sanierung der Verbindungsstraße Richtung Kirchheim sowie eines Teils der Hauptwasserleitung, bereits abgeschlossen sein. Drei Monate waren für diesen ersten Bauabschnitt, der am 15. Juni begonnen hat, einge­plant. Dann tauchten Probleme bei der Sanierung auf, die Gemeinde musste umplanen (siehe Info). Bevor die Kirchheimer Straße freigegeben werden kann, stehen weitere Baumaßnahmen in der Ortsmitte an. „Ich denke, dass im Feb­ruar oder März die Kirchheimer Straße wieder befahrbar sein wird. Hoffentlich früher“, sagt Bürgermeister Sven Haumacher.

Vielen Gewerbetreibenden, die gerade erst den Lockdown überlebt haben, graut es vor vielen weiteren Monaten der Sperrung. „Mir ist schon klar, dass die Sanierungen sein müssen. Ich hinterfrage aber die Projektplanung und das Projektmanagement“, sagt Dr. Matthias Kühnle, Inhaber der Eberhard-Apotheke in Notzingen. Ein Patentrezept hat er auch nicht, plädiert aber dafür, angesichts auftretender Probleme offen für neue Lösungen zu bleiben. Beispielsweise bittet er darum, zu prüfen, ob man den Bauabschnitt Kirchheimer Straße öffnen könne, sobald er fertig ist. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Wellinger Arbeiten es rechtfertigen, die Hauptschlagader Richtung Kirchheim weiter geschlossen zu halten“, sagt Kühnle.

Sven Haumacher sagt, man habe Lösungen wie beispielsweise eine einseitige Sperrung mit Ampelregelung geprüft. Das sei aus Arbeitsschutzgründen jedoch nicht möglich. Die Idee, die Kirchheimer Straße vorzeitig freizugeben, hält Christian Rauch vom Ingenieurbüro Geoteck aufgrund der darauffolgenden Sperrung der Kreuzungsbereiche Wellinger Straße und Ötlinger Straße für nicht praktikabel. „Wenn es möglich wäre, dann nur als Sackgasse. Davon ist aber abzuraten, das würde zu Chaos führen“, sagt Christian Rauch.