Auf den Spuren bedeutender Frauen haben die drei Kirchheimer Landtagsabgeordneten Andreas Schwarz (Grüne), Natalie Pfau-Weller (CDU) und Andreas Kenner (SPD) durch ihre Stadt geführt. In zwei Stunden haben sie rund 550 Jahre Geschichte abgehandelt – und dabei an viele bedeutende Frauen erinnert, um sie vor dem Vergessen zu bewahren.
Ausgangspunkt der Führung war der Gedenkstein für Barbara Gonzaga von Mantua: Die erste württembergische Herzogin war einbezogen in die Streitigkeiten zwischen ihrem Ehemann, Graf Eberhard im Bart, und dessen
Vetter, Eberhard dem Jüngeren. Es waren Auseinandersetzungen um die Skandale im Kirchheimer Frauenkloster, an denen der jüngere der beiden Vettern regen Anteil hatte. „Was ihn interessierte, waren die Jagd, das Glücksspiel, der Alkohol und die Frauen“, sagte Andreas Kenner. „Das alles konnte er in Kirchheim reichlich genießen.“ Allerdings seien die Partys im Frauenkloster den Kirchheimer Bürgern ein Dorn im Auge gewesen, weswegen sie sich an Graf Eberhard im Bart wandten.
Keine Partys mehr im Nonnenkloster
Der sorgte schließlich für Ruhe. Die Reformnonnen im Kloster, die zu alter Zucht und Ordnung zurückkehren wollten, konnten sich dank seiner Hilfe durchsetzen. Nachzulesen sind die Geschichten aus der Zeit ab 1478 in der Klosterchronik der Magdalena Kremerin. Aber eines ist der Autorin, die vielleicht auch nur die Schreiberin war, bislang verwehrt geblieben: „Sie ist eine bedeutende Frau, die noch keinen Straßennamen in Kirchheim hat.“
Barbara Gonzaga hat auch noch keinen Straßennamen. Aber sie hat einen Gedenkstein. Eigentlich sollte an der Stelle vor dem Alten Gemeindehaus ihr Grabstein zu sehen sein, denn 1503 wurde sie auf eigenen Wunsch im Kirchheimer Dominikanerinnenkloster bestattet. Hier allerdings hat drei Jahrzehnte nach ihrem Tod die Politik zugeschlagen: Mit Einführung der Reformation 1534 wurde das Kloster auf andere Weise langsam „ausgehungert“: Novizinnen waren nicht mehr zugelassen, und schließlich wurden alle Gebäude abgebrochen. Dem Abriss fiel auch Barbaras Grabstein zum Opfer.
Ein weiteres Denkmal ist der Zeitungsleser am Alten Teckboten. Hier erinnerte Andreas Schwarz an die einstige Ressortleiterin Elisabeth Schittenhelm – eine unermüdliche Kämpferin gegen die Kreisreform von 1974. „Sie hat ihr Auto gehegt und gepflegt, damit sie so lange wie möglich ihr Nürtinger Kennzeichen behalten konnte.“ Legendär ist die Geschichte, wie sie ohne Schreibblock unterwegs war und für ihre Notizen lediglich die Innenseite einer Streichholzschachtel zur Verfügung hatte. Dem Artikel, der daraus entstand, war das nicht anzumerken. Als sie anfing, aus dem Kirchheimer Gemeinderat zu berichten, war sie die einzige Frau im Ratssaal. Aber sie trug mit dazu bei, dass der Raum am Ende der Sitzung komplett verqualmt war.
An der Martinskirche stand Anna Maria Benz (1694 bis 1738) im Mittelpunkt. Sie hat mutmaßlich als 16-Jährige die Epitaphien-Bilder der früheren Obervögte Sebastian Welling und Konrad Widerholt angefertigt. Am Alten Pfarrhaus ging es um Gertrud Mörike, die Frau des Pfarrers Otto Mörike: Beide haben gemeinsam Stellung bezogen gegen den Nationalsozialismus, und sie waren in der württembergischen „Pfarrhauskette“ aktiv, die jüdischen Mitbürgern Unterschlupf gewährt hat. Beide werden in Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Einen Straßennamen dagegen hat jetzt nur Otto Mörike erhalten, im Steingau-Quartier.
Eine Pionierin im Gemeinderat
Frauen im Gemeinderat waren am Rathaus das Thema: Obwohl schon im Mai 1919 vier Frauen auf den Wahlzetteln standen, sollte es bis 1947 dauern, bis Frieda Keppler als erste Frau in den Kirchheimer Gemeinderat einzog. Von 1962 bis 1968 gab es wieder eine frauenlose Zeit im Gemeinderat – wäre Elisabeth Schittenhelm nicht als Berichterstatterin vor Ort gewesen. Natalie Pfau-Weller erinnerte an Sybille Köber, die erste Frau, die den Vorsitz einer Gemeinderatsfraktion innehatte. Eine weitere Fraktionsvorsitzende wurde später Oberbürgermeisterin: Angelika Matt-Heidecker. Vor dem Kirchheimer Schloss erwähnten Andreas Schwarz und Andreas Kenner zum Abschluss noch eine aktuelle Fraktionsvorsitzende: ihre Landtagskollegin Natalie Pfau-Weller. Frei von Gemeinderats- oder Landtagsfraktionszwängen sagten sie: „Du bist für uns und für den Landtag ein Gewinn.“