Kirchheim
Abgeordneten auf den Zahn gefühlt: Jugendliche wollen es genau wissen

Politik Drei Kirchheimer Abgeordnete stehen in der Freihof-Realschule Rede und Antwort. Die Fragen der Schulklassen betreffen heikle Themen – von Cannabis und Krieg über die Migration und die Energie bis hin zur AfD. Von Andreas Volz

Um Schüler „Politik hautnah“ erleben zu lassen, gibt es an der Kirchheimer Freihof-Realschule das gleichnamige Format: Drei Landtagsabgeordnete lassen sich von Zehntklässlern auf den Zahn fühlen. Die Begegnung ist für beide Seiten wichtig. Für die Schulklassen ist es oft die erste „echte“ Begegnung mit Politikern. Die Abgeordneten wiederum erfahren, was Jugendliche bewegt.

Die Frage nach der Legalisierung von Cannabis scheint die jungen Menschen stark zu beschäftigen. Die Abgeordneten schwanken zwar zwischen Befürwortung und Ablehnung. Aber sie argumentieren ähnlich: „Ich finde das nicht gut, die jetzige Regelung reicht vollkommen aus“, sagt die CDU-Abgeordnete Natalie Pfau-Weller. Zugleich warnt sie die Schüler vor dem „krassen Effekt, wenn man zu viel Cannabis konsumiert“. Andreas Schwarz, der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag, warnt ebenfalls: „Ich würde euch raten, die Finger davon zu lassen.“ Er kommt dann aber zu einem anderen Schluss: „Die Legalisierung einer geringen Menge für den Eigengebrauch ist sicher richtig, sonst muss man sich das über irgendwelche dunklen Kanäle beschaffen.“ Andreas Kenner (SPD) spricht sich am deutlichsten für eine Änderung aus: „Ich bin dafür, Cannabis zu legalisieren.“ Auch er schränkt jedoch ein: „Aber erst ab 18 Jahren. Man darf die Wirkung auf keinen Fall verharmlosen.“
 

Eskalation bringt keinen weiter

Das zweite Thema, nachdem die Zehntklässler fragen, ist der Gaza-Streifen. „Unsere Unterstützung für die Menschen in Israel ist sehr, sehr wichtig“, betont Andreas Schwarz. „Aber auch die Menschen, die friedlich im Gaza-Streifen leben, brauchen eine Perspektive.“ Auf jeden Fall müsse der Krieg so schnell wie möglich aufhören. Andreas Kenner stellt fest, „dass die Eskalation niemanden wirklich weiterbringt“. Die Hamas habe seiner Meinung nach der palästinensischen Bevölkerung keinen Gefallen getan. Für wichtig hält er es, dass die Nachbarstaaten nicht den Eindruck vermitteln, als würden sie einen großen Krieg befürworten. Auch Natalie Pfau-Weller hat einen klaren Standpunkt, den sie gleichwohl relativiert: „Wir stehen an der Seite Israels. Das heißt aber nicht, dass wir die Politik des Staates Israel zu 100 Prozent gutheißen müssen.“ 

Beim Thema Migration wägen die Abgeordneten ebenfalls sorgfältig ab. „Die Gesellschaft ist zerrissen. Das Problem ist, dass wir schon für die Menschen, die hier sind, zu wenig Wohnraum haben“, meint Andreas Kenner und schiebt hinterher: „Wir werden die Probleme dieser Welt nicht lösen, selbst wenn wir jedes Jahr zwei Millionen Menschen aufnehmen würden.“ Auch Natalie Pfau-Weller sieht ein großes Problem für alle Kommunen, die vielen Menschen unterzubringen. Menschen mit geringer Bleibeperspektive und Menschen, die straffällig werden, müssten viel schneller zurückgeführt werden. „Immer mehr Menschen aufzunehmen, das werden wir irgendwann nicht mehr hinbekommen.“ Andreas Schwarz stellt ebenfalls fest: „Es kommen sehr viele Menschen – so viele, dass wir es gar nicht mehr stemmen können.“ Sein Fazit: „Wir müssen die illegale Migration zurückdrängen, dafür aber die legale Zuwanderung vereinfachen.“

Ein weiteres Thema ist die Energie. Hier sind sich die Landespolitiker weitgehend einig: Es braucht mehr erneuerbare Energien. Bei der Mobilität setzen sie auf einen Mix an Lösungen. Trotz aller Probleme mit der Herstellung und Entsorgung von Batterien werde es künftig mehr Elektroautos geben, während Wasserstoff der Energieträger für Busse und Lastwagen werden dürfte.

Ihren eigenen Berufsstand hinterfragen die Politiker bei der Frage nach der AfD und nach deren Höhenflug in Umfragen. Sie sehen eine hohe Grundunzufriedenheit und eine allgemeine Unsicherheit in der Bevölkerung. Auch Zukunftsängste nähmen stark zu. Zwei Empfehlungen geben die Abgeordneten: Wer der AfD genau zuhöre, könne ihre Argumente schnell entlarven. Was aber noch wichtiger und zugleich sehr viel schwieriger sein dürfte, fordert Andreas Schwarz: „Die Politik muss die Herausforderungen der Menschen in ihrem Alltag besser lösen helfen.“ Dazu wäre zwar oftmals die Quadratur des Kreises erforderlich. Aber schließlich ist es das Prinzip von Herausforderungen, nicht ganz einfach zu sein.