Während viele Gastronomiebetriebe in der Corona-Krise eine Pause einlegen oder gar schließen, kommt in eine der traditionsreichsten Kirchheimer Gaststätten Bewegung. Nach 26 Jahren übergibt Wirt Heiko Harbort den Kochlöffel im Wirtshaus am Alten Wollmarkt an Peter Goller. Der hat sich einen Namen als Koch auf dem Kirchheimer Weindorf, beim Denkendorfer Caterer Küchenzauber, als Caterer für die Cantina Adornetto und zuletzt als Koch im Kirchheimer 3K gemacht. Die Philosophie seines Vorgängers will er fortsetzen: Gute, qualitativ hochwertige, schwäbische Küche.
Dabei geht es dem 40 Jahre alten Kirchheimer, der in Rimini auch die italienische Küche von der Pike auf erlernt hat, vor allem um eins: Regionale Produkte und Nachhaltigkeit. „Wir arbeiten mit Familienbetrieben von hier zusammen“, sagt er. Ob Fleisch vom Staufferrind oder vom Boller Strohschwein, Eier vom Bauern aus Beuren, kaum eine Zutat hat einen großen CO2-Fußabdruck hinterlassen. Statt norwegischem Lachs ist es dann eben mal eine Lachsforelle oder ein Saibling aus dem Körschtal, Milchprodukte kommen vom Sonnenhof, Gemüse vom Haldenhof in Beuren. Sogar den Wein bezieht der neue alte „Wollmarkt“ fast ausschließlich aus der Region: vom Untertürkheimer Weingut Zaiss. Und Gruibinger Bier und Schimpfbier liefern den Gerstensaft.
Für Heiko Harbort, der aus gesundheitlichen Gründen eine Pause als leidenschaftlicher Gastronom einlegen muss, ist der Nachfolger „ein Sechser im Lotto“. „So jemanden zu finden, gerade jetzt in dieser Zeit, das ist etwas Besonderes“, sagt er. Nicht ganz unbeteiligt ist daran Harborts Freund aus Kindertagen, Walter Brackenhammer. Der Kirchheimer Weindorf-Gastronom und Unternehmer hat die beiden zusammengebracht. Dass ihr Projekt gerade jetzt bei manchen für Erstaunen sorgt, ist den Machern bewusst. „Du kannst ja nicht aufhören zu leben“, sagst Brackenhammer, der mit der Eröffnung in der kommenden Woche auch ein Zeichen setzen für Lebensfreude setzen will.
Die Geschichte des Traditionshauses geht bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. Der Landeswollmarkt in Kirchheim war damals der bedeutendste seiner Art in Süddeutschland, um regional produzierte Güter feilzubieten. „Diese Idee der Regionalität wollen wir aufgreifen und mit einem hohen Anspruch an Qualität verbinden“, sagt Brackenhammer. Qualität heißt in dem Falle: Selbermachen. Von den Nudeln bis zur Pommes legt Peter Goller und sein Team selbst Hand an. Convenience Food kommt im Wirtshaus am Alten Wollmarkt ebenso wenig auf den Teller, wie weiße Tischdecken auf den Tisch. „Wir werden die Spur von Heiko Harbort weiterverfolgen“, sagt Peter Goller.
Vegane Gerichte neu auf der Karte
Die Stammgäste des Wirtshauses müssen sich daher nicht umstellen: Der Gastraum wird aufgefrischt, aber nicht umgebaut, die Karte wird ergänzt, aber nicht zusammengestrichen. Zu den Neuerungen auf der Karte gehören etwa vegetarische und vegane Gerichte. „Ohne geht es heute nicht mehr“, sagt Peter Goller. Ohne Fleisch hingegen schon, dafür kommen dann Zucchini-Spaghetti oder Rote Beete auf den Teller, nur keine Fleischimitate, die sind dem Vollblut-Koch ein Graus. Bei natürlichen Zutaten ist er dagegen offen für Neues: „Auch Chicorée-Salat können sie so zubereiten, dass er nicht bitter schmeckt“, sagt der neue Wollmarkt-Wirt. Zum Thema Bitterstoffe könnte er ganze Vorträge halten. Das will er künftig auch im Wirtshaus am Alten Wollmarkt tun, bei kleinen gemeinsamen Kochevents mit Gästen.
Wann es definitiv losgeht, hängt derzeit noch von der Stadt ab, zu lange müssen sich die Gäste nicht mehr gedulden. Offenbar konnte es mancher nicht mehr abwarten: Mitten in die Renovierungsarbeiten kam ein Gast und setzte sich zwischen abmontierten Lampenschirmen an einen Tisch. Er wollte einen Gutschein einlösen. Als das Missverständnis aufgeklärt wurde, gab es Gelächter und ein Versprechen, auch beim „Neuen“ am „Alten Wollmarkt“ einen Gutschein zu bekommen.
Info: Derzeit ist die Eröffnung für Donnerstag, 20. Januar, um 16 Uhr geplant. Ein Eignerwechsel ist in der Gastronomie jedoch immer auch mit viel Bürokratie und Papierkram verbunden. Walter Brackenhammer fügt daher noch „nach bisherigem Stand“ an das Datum an.