Sikou O. Joof hat einen Traum: Eines Tages möchte er in seiner Heimat Gambia eine Bäckerei eröffnen und dort leckeres, frisches Brot verkaufen – so wie er es in seiner Wahlheimat Deutschland gelernt hat. „Ich mache am liebsten Laugenzöpfle“, sagt er. Eine Namensidee hat er auch schon: Scholderbeck Gambia, sagt er lachend.
Beim gleichnamigen Bäcker in Weilheim absolviert er seit 2019 eine Lehre zum Bäcker. Nach einem vorbereitenden Jahr konnte er dann 2021 richtig beginnen und befindet sich jetzt im zweiten Jahr. „Er ist von Anfang an gut dabei gewesen“, freut sich seine Ausbildungsbeauftragte Jasmin Frieß.
Und auch für seinen Chef Bernd Sigel war der heute 33-Jährige ein Glücksfall. Zwei Jahre
hatte das Unternehmen einen Auszubildenden gesucht. In der Bäckerei könnte er sofort nach Sikou einen weiteren Azubi gebrauchen, doch eine Kandidatin hatte erst zu- und dann abgesagt. „Hast du nicht einen Kumpel, der hier anfangen will?“, scherzt er mit dem Gambier, um dann ernster zu werden. „Es wird immer unverbindlicher“, stellt Sigel fest, solche kurzfristigen Absagen passierten häufiger. Dass es an der Arbeitszeit liegt, könnte sich Jasmin Frieß vorstellen. Doch Sikou hat sich an die Anfangszeiten von 3 oder 6 Uhr gewöhnt. „Ich bin um 12 oder 14.30 Uhr fertig“, sagt er. Dann hat er noch genug Zeit für sein Lieblingshobby: Sikou hat sich neben seiner Ausbildung auch in der hiesigen Fußballszene einen Namen gemacht. Als Aktiver schnürt er für Beuren die Stiefel und seit Kurzem ist er auch Jugendtrainer beim TSV Weilheim. „Sport ist eine absolute Integrationshilfe“, sagt Bernd Sigel.
Ob die Aufenthaltserlaubnis seines Vorzeige-Azubis nach der Ausbildung verlängert wird, steht aber noch nicht fest. Als Asylbewerber darf er auch nicht in seine Heimat reisen. „Ich war seit vier Jahren nicht mehr dort.“ Dabei würde ihn Bernd Sigel gerne übernehmen. „Wir haben die Hoffnung, dass er eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommt“, sagt der Unternehmer. Dass es überhaupt ein Problem sein könnte, jemanden wie Sikou, der bald eine ausgebildete Fachkraft sein wird, einen dauerhaften Aufenthalt zu ermöglichen, ist für den Unternehmer ohnehin ein Rätsel.
Dass Bäcker und Fachverkäuferinnen gesucht werden, wird wohl auch künftig bei Scholderbeck so bleiben. „Wir sind mit unserem Betrieb in der Nische“, sagt Bernd Sigel, dessen Unternehmen das Ökosiegel trägt. Zu schaffen machen der konventionellen Bäckerbranche jedoch schon jetzt die Handelsketten, die ebenfalls frische Backwaren anbieten. „Mittlerweile werden über den Lebensmitteleinzelhandel 50 Prozent des Brot- und Backwarenbedarfs in Deutschland verkauft“, sagt er. Dagegen setze er auf natürliche und regionale Zutaten. Wer zu sehr auf Massenprodukte und günstige Zutaten setzen, wird es nach seiner Einschätzung in der Bäckerbranche künftig schwerer haben. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Schumacher von morgen werden“, sagt Bernd Sigel.
Für Sikou sind solche Sorgen eher zweitrangig, beeinträchtigen sie doch nicht seinen Traum, mit seinem Können in Gambia Geld zu verdienen. Für seine Wohnung hat er sich jetzt einen eigenen Ofen besorgt, bislang musste er ohne auskommen. Gut möglich also, dass er bei seinem nächsten Besuch in der Heimat ein leckeres Mitbringsel im Gepäck dabei hat.
Lehrlingszahlen in zehn Jahren mehr als halbiert
Die Lehrlingszahlen im Bäckerhandwerk sinken seit 2012 kontinuierlich. Nach Informationen des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks begannen vor zehn Jahren noch 8962 junge Menschen eine Lehre zur Bäckerin oder zum Bäcker sowie 17 416 eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin oder zum Verkäufer. Im vergangenen Jahr waren es deutlich weniger als die Hälfte: 6495 Azubis wollten Bäckereifachverkäuferin oder Verkäufer werden, 4211 Bäcker oder Bäckerin. Infos zum Beruf gibt es hier: www.back-dir-deine-zukunft.de. zap