Kirchheim
Alte Bilder zeigen das alte Kirchheim

Kalender Historische Ansichten aus Kirchheim führen durch das neue Jahr: Motive aus früheren Zeiten lösen Erinnerungen aus – und Diskussionen. Von Andreas Volz

Vieles im Leben ist Ansichtssache. Dazu gehört auch der Kalender mit dem Titel „Kirchheim unter Teck in alten Ansichten“, der aktuell im Buchhandel, im Max-Eyth-Haus sowie im Stadtarchiv im Freihof erhältlich ist. Die 13 Bilder bieten
 

Wenn der Kalender gut läuft, wiederholen wir das. 
Ich habe noch viele Ideen.
Eva Diehl
würde sich über Fortsetzungen in möglichst vielen Folgejahren freuen

Kirchheimer Ansichten, die zu Diskussionen anregen. Manchmal dürfte über den Platz oder die Straße debattiert werden, die zu sehen sind, manchmal über die Perspektive und ein anderes Mal über die entscheidende Frage: War früher wirklich alles besser? Der Kalender beantwortet diese Frage nur ausweichend: Früher war vieles anders. Das zumindest belegen die ausgewählten Bilder aus dem Bestand des Stadtarchivs.

Das jüngste Bild stammt aus dem Jahr 1958 und zeigt die untere Max-Eyth-Straße – vom einstigen unteren Café Sigel bis zum Rathaus. Auch wenn sich viele Kirchheimer noch gut an diese Zeit erinnern können, zeigt das Foto eine ganz andere Welt. Aber ist diese Welt wirklich ganz anders? Auf den ersten Blick fällt auf: Es sind nur ein paar vereinzelte Fußgänger und Radfahrer unterwegs. Damals wäre die Umwandlung in eine Fußgängerzone also noch nicht so dringend nötig gewesen wie rund 50 Jahre später.

Nicht alle Bilder im Kalender sind Fotografien, nicht alle Bilder sind schwarz-weiß. Es finden sich auch kolorierte Zeichnungen. Eva Diehl, die zuständige Mitarbeiterin des Stadtarchivs, die die Bilder ausgewählt hat, spricht von einer möglichst guten Mischung, die erreicht werden sollte. Das gilt für die Farben ebenso wie für die Motive: „Wir haben viele alte Ansichtskarten im Archiv. Da ist fast immer das Rathaus drauf. Im Kalender sollte aber nicht jeden Monat das Rathaus auftauchen.“

Diese Absicht ist gelungen: Außer auf dem Titelblatt taucht das Rathaus nur noch in dem bereits erwähnten Foto der Max-Eyth-Straße auf. Aber selbst die Max-Eyth-Straße ist nicht so eindeutig, wie sie wirken mag. Lange genug hieß sie Karlstraße, benannt nach König Karl I. von Württemberg. „Straßennamen umzubenennen ist ganz schlecht für die Arbeit im Archiv“, sagt Eva Diehl: „Weil man dann später immer erst rausfinden muss, wie eine Straße früher mal geheißen hat.“

Detektivarbeit beim Urheberrecht

Spürsinn gehört seit jeher zu den Anforderungen an die Arbeit im Archiv. Mit einer besonderen Art von Detektivarbeit hätte Eva Diehl trotzdem nicht gerechnet, als es um den Kalender ging: „Wir haben einen unglaublichen Fundus an Bildern im Stadtarchiv. Bei vielen Bildern sind aber die Urheberrechte nicht geklärt.“ Das erschwert den Nachdruck in einem Kalender erheblich. Es beeinflusst zugleich die Bildauswahl, denn manche Bilder scheiden dadurch automatisch aus

Zum neuen historischen Kalender für das Jahr 2023 kam es auf zwei unterschiedlichen Wegen, die sich beinahe zufällig gekreuzt haben, wie Eva Diehl berichtet: „Ich habe die Reihe ,Kirchheim in alten Ansichten’ gestartet, die auf Social-Media-Kanälen’ läuft. Dann dachte ich, man könnte mit diesen Bildern doch einen Kalender machen.“ Als sich kurz darauf die „Kalender-Manufaktur“ aus Verden an der Aller gemeldet hat, rannten die Kalendermacher offene Türen im Kirchheimer Stadtarchiv ein. So kam das Angebot zur Nachfrage – oder umgekehrt.

Kalender erreicht neue Zielgruppe

„Über den Kalender erreichen wir mit unseren Bildern eine ganz andere Zielgruppe als über social media“, sagt Eva Diehl. Ihre Erfahrungen aus der digitalen Welt sind trotzdem in den Kalender eingeflossen: „Wir wissen ja, welche Bilder mehr geklickt werden als andere.“ Kindheitserinnerungen würden dabei eine ebenso große Rolle spielen wie der Wiedererkennungswert eines Bildmotivs.

Letzterer hat es manchmal schwer, weil die Fachwerkfassaden, die Kirchheim heute so attraktiv für Tagestouristen machen, in alten Ansichten noch verputzt waren. Auch der Teckturm lässt sich im Kalender nicht wiedererkennen – zeigt er sich doch ganz im historisierenden Kitsch des späten 19. Jahrhunderts, wie er bis zum Umbau in den 1950er-Jahren ausgesehen hat. Und schon dürften neue Debatten beginnen, ausgelöst vielleicht durch das wertende Wort „Kitsch“. War der alte Teckturm furchtbar – oder war nicht vielleicht doch ganz furchtbar romantisch? Die Antwort auf diese Frage bleibt den jeweiligen Betrachtern überlassen, 31 Tage lang, im August 2023. Auch die Bewertung der beiden Versionen des Teckturms ist wieder einmal nichts weiter als – Ansichtssache.