Auf Interesse ist die Infoveranstaltung zum genossenschaftlichen Wohnprojekt in der einstigen Tuchfabrik J. J. Müller in der Kirchheimer Paradiesstraße gestoßen. Fast alle Plätze waren im „Con4rent“ im Steingauquartier besetzt. Eine kleine Umfrage ergab, dass viele der Besucherinnen und Besucher nicht aus Kirchheim waren und das Areal nicht kannten.
Achim Rapp, Kirchheims Erster Bürgermeister, übernahm die Begrüßung und sprach von einem „neuen, schönen Baustein im Wohnformen-Puzzle“ der Teckstadt. Die Idee hinter dem Projekt „Wir.Haus“ stellten Klaus Nerz und Joachim Bettinger von Oekogeno aus Freiburg sowie der Kirchheimer Architekt Norbert Kazmaier im Wechsel vor.
Oekogeno entwickelt und realisiert ökologische Wohnprojekte. „Das Wichtigste ist der Mensch“, sagte Klaus Nerz und stellte den genossenschaftlichen Gedanken in den Vordergrund. Knapp 16.000 Mitglieder zählt die eingetragene Genossenschaft mittlerweile. Auf drei Säulen baut deren Konzept: selbstorganisierte Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und die genossenschaftliche Idee.
Für private Fahrzeuge muss ein Stellplatz nachgewiesen werden.
Klaus Nerz von Oekogeno
Sollte „Wir.Haus“ realisiert werden, wäre es eine eigene Genossenschaft, die sich selbst organisiert. Bis es aber überhaupt losgeht, muss ebenjene Gemeinschaft das Ganze initiieren und finanzieren. Die Mitglieder sind dann Nutzer und Miteigentümer der Gebäude mit einem Dauernutzungsvertrag. „Man lebt dann lebenslang drin und hat immer ein Stimmrecht. Es gilt das Solidaritätsprinzip“, so Klaus Nerz.
Ende 2022 kam der Eigentümer der alten Tuchfabrik auf das Büro Kiltz Kazmaier Architekten zu, um das Ensemble zu entwickeln. „Zwei Jahre haben wir Anlauf genommen, um dann im zweiten Anlauf mit der Oekogeno einen frischen Wind in das alte Industriedenkmal zu bringen“, sagte Norbert Kazmaier. Die gute Lage sei in dem Fall wichtig: kurze Wege zum Einkaufen und in die Innenstadt, die Bushaltestelle direkt vor der Haustür. „Nicht zu vergessen die angenehmen Temperaturen in heißen Sommern dank der Nähe zu Lauter und Grünzug“, so der Architekt.
Insgesamt sollen 21 Wohneinheiten entstehen – von einem bis vier Zimmer, einige davon barrierefrei. Auch Clusterwohnungen, vergleichbar mit einer WG, wird es geben. Gemeinschaft wird großgeschrieben, selbst in der Waschküche soll ein Treffpunkt für die etwa 80 Bewohnerinnen und Bewohner entstehen. Das Ganze rundet ein Dachgarten mit Blick auf Alb und Stadt ab. Dreieinhalb Stockwerke sollen auf den Manz-Bau draufgesattelt werden, dazu müsste aber das Satteldach und der Giebel verschwinden. Unten sind Büros geplant.
„Eine Besonderheit gibt es: Eine Tiefgarage geht nicht, deshalb gibt es lediglich vier Carsharing-Autos. Nur so haben wir die Genehmigung der Stadt bekommen. Für private Fahrzeuge muss ein Stellplatz nachgewiesen werden“, stellte Klaus Nerz klar und ergänzte: „Ein ganz wichtiger Punkt sind deshalb die Lastenfahrräder.“ Private Pkw waren durchaus ein Thema und wurden bei der anschließenden Diskussionsrunde angesprochen. „Wir erwarten Ehrlichkeit“, lautete dazu die Antwort.
30 Prozent Eigenkapital
Vor allem die Finanzierung interessierte die Gäste. 30 Prozent Eigenkapital müssen die künftigen Genossen mitbringen, die restlichen 70 Prozent sind Fremdkapital. Bei einer geschätzten Investition von etwa zwölf Millionen Euro bedeutet das 3,7 Millionen Euro Eigenkapital. Die Kostenmiete beziehungsweise das Nutzungsentgelt ist die Summe der laufenden Aufwendungen plus Finanzierungskosten. Zinsen und Tilgung sind zu zahlen samt der normalen Betriebskosten wie Reparaturen oder Hausmeisterservice. „Spekulationsgewinne sind nicht drin – und die Bewohner beschließen, welche Miete zu zahlen ist, damit die Kosten gedeckt sind“, erklärte Klaus Nerz und sagte weiter: „Wir sind nicht günstig – aber es sind zehn Prozent Gemeinschaftsfläche mit dabei drin.“
Die Verantwortlichen hoffen, dass sie dieses Jahr die erforderliche Gemeinschaft zusammenbekommen, 2027 möchten sie mit dem Bau beginnen, der nach zwei Jahren abgeschlossen sein soll. Anfang 2029 sollen dann die Ersten einziehen können.